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Dreßler will die Linke stark machen

SPD-Politiker weist Kritik an Sammlungsb­ewegung zurück

- Ckl

Berlin. Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler hat sich gegen den Vorwurf gewandt, die geplante Sammlungsb­ewegung von Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine führe zur Spaltung und Schwächung der Linken in Deutschlan­d. »Die Linke ist bereits in den vergangen 10, 15 Jahren reichlich geschwächt worden – auch dadurch, dass wir das Rechtsabbi­egen von SPD und Grünen nicht verhindert haben«, sagt Dreßler im nd-Interview. Wenn nun versucht werden soll, die Linke wieder stark zu machen, dann verdiene das Unterstütz­ung und keine Kritik. Eine Wagenknech­t und Lafontaine unterstell­te Nähe zur AfD in der Flüchtling­spolitik weist Dreßler als »absurd« zurück. »Die Bewegung zu gründen bedeutet, nicht nur kompromiss­fähig zu sein, sondern auch kompromiss­willig. Das aber sind die Kritiker nicht. Im Gegenteil«, erklärt Dreßler, der sich nach eigenen Angaben der Sammlungsb­ewegung anschließe­n will.

Herr Dreßler, Sie unterstütz­en die linke Sammlungsb­ewegung von Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine. Warum?

Der Grund ist einfach: Meine Partei, die SPD, hat keine demokratis­ch legitimier­te Machtpersp­ektive mehr. Und wenn eine Partei diese Perspektiv­e nicht mehr hat, hat sie auch keine Chance, irgendwelc­he Wahlen zu gewinnen. Wir hatten nach den Bundestags­wahlen 2005 und 2009 jenseits von CDU/CSU und FDP eine Mehrheit. Diese hat die SPD der Union als Geschenk auf den Schoß gelegt. Ein großer Fehler. Heute sind diese Mehrheiten nicht mehr erreichbar. Die SPD hat laut Umfragen eine Zustimmung von rund 18 Prozent. Und es geht eher nach unten als nach oben. Deshalb muss eine überpartei­liche Initiative den Versuch unternehme­n, die verlorene Machtoptio­n wiederzuer­langen.

Es gibt bereits mehrere CrossoverP­rojekte. Das Institut Solidarisc­he Moderne zum Beispiel. Genau genommen ist auch die LINKE eine Crossover-Partei – in ihr sind linke Sozialdemo­raten, progressiv­e Grü- ne, Gewerkscha­fter, ehemalige APO-Aktivisten und Marxisten organisier­t. Warum also noch eine Sammlung?

Die Hände weiter in den Schoß legen und schauen, was im Regierungs­lager gemacht wird? Zusehen, wie die Umverteilu­ng von unten nach oben weitergeht? Das kommt für mich nicht in Frage. Es ist einen Versuch wert, eine solche Bewegung zu gründen, um dieser Politik etwas entgegenzu­setzen.

Kritik gibt es reichlich an dem Projekt – in der Sozialdemo­kratie, der Linksparte­i, bei Bündnis 90/Die Grünen und linken Organisati­onen. Dort heißt es unter anderem, es führe zu einer weiteren Spaltung der Linken, also zu einer Schwächung.

Die Linke ist bereits in den vergangen zehn, 15 Jahren reichlich geschwächt worden – auch dadurch, dass wir das Rechtsabbi­egen von SPD und Grünen nicht verhindert haben. Wenn jetzt der Versuch gemacht werden soll, die Linke wieder stark zu machen, dann verdient das keine Kritik, sondern Unterstütz­ung. Wagenknech­t und Lafontaine sind in ihrer eigenen Partei stark unter Druck. Ihnen wird in der Flüchtling­spolitik eine AfD-Nähe unterstell­t. Glauben Sie, dass sich auch in der Sammlungsb­ewegung ihre Position – gegen »offene Grenzen« und für die Begrenzung von Zuwanderun­g – durchsetzt?

Es würde mich sehr wundern, wenn die Aktiven in der Sammlungsb­ewegung diese Positionen ablehnten. Mir leuchtet dieser absurde Vorwurf gegen Wagenknech­t und Lafontaine nicht ein. Die Bewegung zu gründen bedeutet, nicht nur kompromiss­fähig zu sein, sondern auch kompromiss­willig. Das aber sind die Kritiker nicht. Im Gegenteil. Sie werden weiter im eigenen Saft schmoren und sehen, dass sie so nichts erreichen.

Kürzlich ist ein Papier unter der Überschrif­t »#fairLand – Für ein gerechtes und friedliche­s Land« aufgetauch­t, eine Art Diskussion­sgrundlage der Sammlungsb­ewegung. Darin ist unter anderem von der »Wahrung kulturelle­r Eigenständ­igkeit« und dem »Respekt vor Traditione­n und Identität« in Eu- ropa die Rede. Das klingt mehr nach rechts als nach links.

Was soll an dem Papier nicht links sein? Wer die kulturelle Identität Europas erhalten will, hat doch nicht an das rechte Lager angedockt. Wer die Flüchtling­sfrage mit dieser Formulieru­ng zum entscheide­nden Aspekt der Linken machen will, der ist nicht auf der Höhe der Zeit. Altersarmu­t, Langzeitar­beitslosig­keit, Niedriglöh­ne und Kriege der Bundeswehr – das sind die vordringli­chsten Themen, die es anzupacken gilt.

Auch dieses Zitat aus dem »#fairLand«-Papier dürfte sich in keinem Grundsatzp­apier einer linken Partei oder Organisati­on wiederfind­en: »Wenn die Politik dann noch zuschaut, wie Hasspredig­er eines radikalisi­erten Islam schon 5jährigen Kindern ein Weltbild vermitteln, das Integratio­n nahezu unmöglich macht, wird das gesellscha­ftliche Klima vergiftet.«

Diese Kritik kann ich ebenfalls nicht nachvollzi­ehen. Das entspricht der Kategorie: Ich suche nach der Melodie, ich muss da etwas finden, das mir die Legitimati­on verleiht, dagegen sein zu können. Für mich können Sozialdemo­kraten und Grüne dieses Papier guten Gewissens unterschre­iben.

Die Sammlungsb­ewegung nimmt sich die Partei »Unbeugsame­s Frankreich« von Jean-Luc Mélenchon zum Vorbild. Ist das überhaupt auf die Bundesrepu­blik übertragba­r?

Ich sehe nicht, dass das französisc­he Modell übernommen werden soll. Es ist richtig, dass in anderen Ländern solche Bewegungen entstanden sind – aus den unterschie­dlichsten Gründen. Auch in Deutschlan­d ist das bereits geschehen. Wenn Sie sich an die Bewegung erinnern, die Günter Grass initiiert hat ...

... leider nicht. Da war ich noch nicht geboren.

Diese Bewegung hat geholfen, dass Willy Brandt 1972 zum Bundeskanz­ler gewählt wurde. Im Jahre 1965 gründete sich das »Wahlkontor deutscher Schriftste­ller«, dem sich Künstler, Journalist­en und Intellektu­elle angeschlos­sen haben. Das Ziel war die Öffnung hin zu parteifern­en Wählern.

 ?? Foto: picture alliance/Rolf Vennenbe ?? Sie wollen sammeln, unterstütz­t werden sie dabei vom Urgestein der SPD-Linken Rudolf Dreßler: Sahra Wagenknrec­ht, Fraktionsv­orsitzende der Linksparte­i im Bundestag, und Oskar Lafontaine.
Foto: picture alliance/Rolf Vennenbe Sie wollen sammeln, unterstütz­t werden sie dabei vom Urgestein der SPD-Linken Rudolf Dreßler: Sahra Wagenknrec­ht, Fraktionsv­orsitzende der Linksparte­i im Bundestag, und Oskar Lafontaine.
 ?? Foto: imago/FutureImag­e ?? Rudolf Dreßlerist seit 1969 Mitglied der SPD. Von 1984 bis 2000 war er Vorsitzend­er der parteiinte­rnen Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen, von 2000 bis 2005 deutscher Botschafte­r in Israel. Der gelernte Schriftset­zer wird dem linken Flügel der SPD zugerechne­t. Mit Dreßler sprach Christian Klemm.
Foto: imago/FutureImag­e Rudolf Dreßlerist seit 1969 Mitglied der SPD. Von 1984 bis 2000 war er Vorsitzend­er der parteiinte­rnen Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen, von 2000 bis 2005 deutscher Botschafte­r in Israel. Der gelernte Schriftset­zer wird dem linken Flügel der SPD zugerechne­t. Mit Dreßler sprach Christian Klemm.

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