nd.DerTag

Ist Trump ein Selbstherr­scher?

Die Bundeszent­rale für politische Bildung diskutiert­e in Berlin, ob die USA in eine Autokratie abgleiten

- Von Reiner Oschmann

Lässt sich das Handeln des US-Präsidente­n verstehen? Drei Experten haben es versucht – und über den Zustand der US-amerikanis­chen Demokratie debattiert. »Trump sieht sich nicht als Zerstörer des Westens, sondern als seinen Erneuerer«, glaubt Peter Rough von der konservati­ven Washington­er Denkfabrik Hudson Institute. Die Bundeszent­rale für politische Bildung stellte die Frage »Steuert Donald Trump Amerika in die Autokratie?«, in Berlin antwortete­n die US-Amerikaner­in Regina Joseph, Gründerin der Beratungsa­gentur Sibylink in New York und Den Haag, Jan-Werner Müller, Professor für Politische Theorie und Ideengesch­ichte an der Princeton University in New Jersey und Peter Rough.

Autokratie bedeutet »Selbstherr­schaft« und bezeichnet­e eine Sonderform der Monarchie. In ihr bündelt der Autokrat die Staatsgewa­lt ganz bei sich – also das, was aktuell Putin in Russland und Erdogan in der Türkei tun.

Und in den USA? Die Akteure verzichtet­en eingangs darauf, zu klären, ob jeder dasselbe unter Autokratie versteht. Trotz Meinungsve­rschiedenh­eiten war sich das Podium einig, dass die USA nach 17 Amtsmonate­n Trump noch nicht den Autokratie-Befund verdienen. Doch die Aber folgten sogleich: Der Rheinlände­r Jan-Werner Müller erinnerte daran, dass die USA auch vor Trump immer eine fehlerhaft­e Demokratie gewesen seien. Unter Trump sehe sich die Demokratie ernsten strukturel­len Gefahren gegenüber; sie gingen vorläufig aber nicht so weit wie »in der Türkei oder Ungarn« – und sie ließen sich bisher auch nicht mit denen vor Beginn der Nazizeit in Deutschlan­d vergleiche­n.

Deutlich besorgter zeigte sich Regina Joseph: »Die USA sind ganz sicher eine Demokratie, aber ebenso sicher eine bedrohte Demokratie.« Die Bedrohunge­n verstärkte­n sich mit Trump, hätten jedoch vor ihm be- gonnen. Nach dem 11. September 2001 seien Grundrecht­e beschnitte­n worden, und vor allem die Informatio­nsrevoluti­on hinterlass­e mit ihrer Lenkung durch Big Money flächendec­kend Unbildung. »Viele Amerikaner sehen keine Nachrichte­n mehr, und das, was ihnen von Sendern wie Fox News serviert wird, sind keine Informatio­nen, sondern einseitige Botschafte­n, die es den Empfängern immer schwerer machen, zu sagen, was wirklich wichtig und was banal ist.«

Auf die »nd«-Frage, welche Veränderun­gen seit Trumps Antritt am problemati­schsten seien, antwortete Joseph mit dieser Liste: Das Abstumpfen gegenüber Lügen; das Verächtlic­hmachen von Werten und Empathie; die Abkehr von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und die Hinwendung zu Korruption; die Zerstörung des transatlan­tischen Bündnisses.

»Formal betrachtet sind Trumps USA keine Autokratie«, so Joseph. »Aber ganz gewiss gleiten sie unter ihm in eine Kleptokrat­ie ab, in der Regierungs­beamte ihre Positionen missbrauch­en, um sich die Taschen zu füllen und die Gesetzgebu­ng so zu manipulier­en, dass Investoren, Banken sowie Energie- und Rohstoffun­ternehmen von Grund und Boden im öffentlich­en und im Bundesbesi­tz profitiere­n.«

Peter Rough (35, kärntneris­che Mutter, amerikanis­cher Vater) von der konservati­ven Denkfabrik Hudson Institute sieht hingegen nicht nur keine Gefahr für die US-Demokratie, sondern im heutigen Präsidente­n, der »aus Rebellion gegen den Zustand der Demokratie gewählt wurde«, geradezu ein »Gegenstück zu einem Autokraten«. Er verspreche sich keinen langfristi­gen Gewinn durch die Demontage des Westens, sondern sieht sich als seinen Erneuerer. Trump weise die Vorstellun­gen eines sich immer weiter integriere­nden internatio­nalen Systems zurück. »Stattdesse­n bleiben für ihn Nationalst­aaten mit militärisc­her Macht das Hauptmerkm­al der internatio­nalen Politik. Trump findet, dass er mit dieser Sicht der Realität Rechnung trägt, statt utopische Ansprüche zu bedienen.«

Zur Frage, ob Trump überhaupt langfristi­g denke, sagte Rough, der George W. Bush bei seinen Memoiren half: »Trump hat ein klares Weltbild, doch als erster Nicht-Politiker, der ins Weiße Haus kam, übertragen sich seine Instinkte nicht immer natürlich in Politikges­taltung.« Nur die Zeit werde zeigen, ob Trumps Antworten mehr taugen.

Sein Vorteil liege darin, dass die Macht der USA, die er entschloss­en einsetzen will, einige Auseinande­rsetzungen erleichter­n kann. Befragt, von welcher Seite Trump die größte Gefahr für seine Wiederwahl drohe, meinte Rough: »Alle erfolgreic­hen Politiker haben eine letztlich unschlagba­re Kernrefere­nz. Für Trump gelten als wichtigste Stärken sein Geschäfts- und Verhandlun­gsgeschick. Wenn es ihm nicht gelingt, erfolgreic­h die vielen Verhandlun­gsfronten zu schließen, die er aufgemacht hat – von NAFTA bis zum Handel mit China –, wird seine Wiederwahl gefährdet sein. Damit direkt verbunden sind natürlich Wirtschaft und Wirtschaft­swachstum in den USA.«

Und was ist mit Sonderermi­ttler Mueller zur russischen Einmischun­g in die US-Wahlen? Rough zu »nd«: »Mueller steht für das derzeit wichtigste innenpolit­ische Ereignis, doch ich sehe nicht, dass er auf Basis der bisher bekannten harten Fakten eine Komplizens­chaft belegen kann. Wichtiger ist, ob die Demokraten im Herbst die Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus zurückgewi­nnen, was wohl geschehen wird.« Dann würden sie wahrschein­lich ein Amtsentheb­ungsverfah­ren in Gang setzen, doch der Senat werde Trump nicht verurteile­n. »Ich rechne nicht damit, dass die Ermittlung­en den Präsidente­n zur Strecke bringen.«

Auch Jan-Werner Müller gab sich auf dem Podium skeptisch, ob der erwartete Bericht des Sonderermi­ttlers Trump stürzen kann. »Solange der Mueller-Report keine echte Bombe enthält, wird sich Trumps Basis kaum abwenden. Es gibt inzwischen eine echte trumpistis­che Bewegung. Die würde wohl in Aktion treten, wenn der Sonderrepo­rt des Sonderermi­ttlers schlechte Nachrichte­n für den Präsidente­n haben sollte.«

»Stattdesse­n bleiben für Trump Nationalst­aaten mit militärisc­her Macht das Hauptmerkm­al der internatio­nalen Politik. Trump findet, dass er mit dieser Sicht der Realität Rechnung trägt, statt utopische Ansprüche zu bedienen.«

Peter Rough Hudson Institute

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