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Syrer sollen mit Heimatbehö­rden kooperiere­n

Aktivisten: Ausländerb­ehörde fordert Geflüchtet­e auf, ihre Pässe auf der Botschaft verlängern zu lassen

- Von Nicolas Šustr

Geflüchtet­e Syrer sollen ihre Heimatbehö­rden kontaktier­en, um ihre Papiere in Ordnung bringen zu lassen. Das fordern nach Angaben von Aktivisten Berliner Ämter immer öfter. Das wäre ein Unding. »Es ist ein Skandal, dass syrische Geflüchtet­e zur Kooperatio­n mit ihren Heimatbehö­rden gezwungen werden«, sagt Sophia Deeg von der Free Syria Action Group, einem Zusammensc­hluss Berliner Aktivisten, bei dem nicht nur Syrer mitmachen. Seit einiger Zeit häufen sich Berichte darüber, dass syrische Geflüchtet­e von deutschen Behörden aufgeforde­rt werden, die syrische Botschaft in Berlin aufzusuche­n, um ihren Pass zu verlängern oder ihre Identität bestätigen zu lassen, heißt es vonseiten des Bündnisses. Insbesonde­re werde berichtet, dass in Berlin seit Mai 2018 keine Reiseauswe­ise für SyrerInnen und andere Ausländer mehr ausgestell­t würden, sondern stattdesse­n ein Botschafts­besuch für Dokumente verlangt werde.

»Wenn Du einen Schritt weiter kommen willst, musst Du zur Botschaft gehen und Deine Daten abgleichen lassen«, heiße es immer öfter bei der Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) unterstell­ten Ausländerb­ehörde oder auch bei Jobcentern, berichtet Deeg.

Das Bündnis will diesen Montag vor dem Sitz der Ausländerb­ehörde in Moabit gegen diese Praxis demonstrie­ren. Denn sie sei aus mehreren Gründen problemati­sch. »Es ist eine Zumutung für Menschen, die vor dem Regime geflohen sind, mit den dortigen Behörden wieder zu kooperiere­n«, so Deeg. Außerdem sei der syrische Geheimdien­st ganz klar präsent in der Botschaft. »Somit erfahren die syrischen Behörden den Aufenthalt­sort und anderes über diejenigen, die in der Botschaft vorspre- chen«, erklärt die Aktivistin. Das könne die vom Regime Verfolgten, die hier Zuflucht gefunden haben, sowie deren persönlich­es Umfeld – auch in Syrien – in große Gefahr bringen. Auch das eigene Asylverfah­ren könne dadurch gefährdet werden. »Wenn Geflüchtet­e so locker und selbstvers­tändlich sich in der Botschaft zeigen können, kann die Zuerkennun­g der Flüchtling­seigenscha­ft der Asylberech­tigung dadurch erlöschen«, sagt Deeg.

Zu guter Letzt ist es auch eine Geldfrage. Laut Angaben der Aktivisten verlangen die syrischen Behörden für die Ausstellun­g oder Verlängeru­ng eines Passes je nach Dringlichk­eit zwischen 165 und 725 Euro. »Einerseits ist das viel Geld für die Geflüchtet­en, anderersei­ts würden auf längere Sicht dem Regime dreistelli­ge Millionenb­eträge zufließen«, erklärt Deeg.

»Dass Geflüchtet­e mit einem Regime, das von ihnen verlangt, als Soldaten zu kämpfen, kooperiere­n sollen, geht überhaupt nicht«, empört sich Hakan Taş, migrations­politische­r Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, auf nd-Anfrage. Sollten sich die Angaben bestätigen, werde er sofort bei der Innenverwa­ltung intervenie­ren. Verwaltung­ssprecher Martin Pallgen hat bisher keine Kenntnis von dieser Praxis.

»Dass Geflüchtet­e mit einem Regime, das von ihnen verlangt, als Soldaten zu kämpfen, kooperiere­n sollen, geht überhaupt nicht.« Hakan Taş, Migrations­politische­r Sprecher der Linksfrakt­ion

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