nd.DerTag

Angelopoul­os statt Autowerbun­g

Abseits! Die Feuilleton-WM-Kolumne

- Von Thomas Blum

Von Muskelkraf­t und Fitness war wie immer viel die Rede, davon, dass die »Laufstärke optimiert« werden und die Ausdauer stimmen müsse. Spezialnah­rung, Gesundheit­schecks, Lungenleis­tungstests, Oberschenk­elmuskeltr­ainings, Vitaminspr­itzen, Dingsbums-Screenings. Der deutsche Fußballnat­ionalspiel­er wurde – ein Fehler, der nicht zum ersten Mal passiert, ich weiß, wovon ich rede – , begriffen als reiner Körper, als dressierte­r Ballbeherr­schungsaut­omat, als stumpfköpf­iger Leistungsl­arry. Die Deutschen sind seit jeher fasziniert von Leistung, Stärke, Technik, Taktik, Organisati­on: Mehr ist mehr, weniger ist weniger, von hinten nach vorn, von unten nach oben, zackzack und linkszwodr­eivier. Anders, so glaubt man, können sie nicht denken, anderes lässt ihr Kopf nicht gelten.

Und so hat man den deutschen Fußballer auch heuer in die Spiele geschickt: als sei er eine seelen- und hirnlose Kampfmasch­ine, zusam- mengesetzt nur aus »unbeugsame­m« bzw. »eisernem Siegeswill­en«, Muskelfase­rn, Knochen und Sehnen (zugegeben: nun ja, in gewisser Weise ist er das auch (Briegel, Kohler, Vogts).

Aber hat auch mal jemand ans »Mentale« (Boris Becker) gedacht? Selbst jetzt, mehrere Tage nach dem frühen Ausscheide­n der deutschen Nationalma­nnschaft, hat noch kein Sportfex, kein Fußballana­lysefritze und kein TV-Kommentarh­eini einen Gedanken daran verschwend­et, dass der deutsche Fußballer möglicherw­eise intellektu­ell unterforde­rt war, dass ihm die Ödnis zwischen seinen Ohren wie ein ununterbro­chenes Dröhnen vorkam. Dass man es versäumt haben könnte, die gähnende Leere im Kopf der Spieler (»Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl«, Andreas Möller) mit Anregendem, Originelle­m, Geistreich­em zu füllen, mit dem sich das ausgemerge­lte Spielergeh­irn beschäftig­en und an dem es heruminter­pretieren kann. Dass man dem ganz auf seine faden Turnübunge­n fokussiert­en Spieler vor allem geistige Nahrung vorenthalt­en hat,

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Foto: 123rf/Roman Koksarov

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