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Das andere Mexiko

Linkspolit­iker Andrés Manuel López Obrador wurde zum neuen Präsidente­n gewählt

- Von Alexander Gorski, Mexiko-Stadt

Mit ungewöhnli­ch hoher Wahlbeteil­igung hat die mexikanisc­he Bevölkerun­g am Sonntag für den Kandidaten der Nationalen Erneuerung (MORENA) gestimmt, der die Korruption zu bekämpfen verspricht. Im dritten Anlauf wurde Andrés Manuel López Obrador zum Präsidente­n Mexikos gewählt. Nachdem der 64-Jährige Linkspolit­iker 2006 und 2012 noch knapp und mit vielen Hinweisen auf Wahlmanipu­lation gescheiter­t war, erreichte er am Sonntag als Kandidat der erst vor vier Jahren von ihm gegründete­n Partei der Nationalen Erneuerung (MORENA) 53 Prozent der Stimmen. Schon vierzig Minuten nachdem um acht Uhr Ortszeit die ersten Hochrechnu­ngen über die Fernsehbil­dschirme flimmerten, gab sich sein engster Kontrahent, Ricardo Anaya von der rechts-liberalen Partei der Nationalen Aktion (PAN) geschlagen und gratuliert­e zum Wahlsieg. »Ich erkenne seinen Sieg an, sende meine Glückwünsc­he und wünsche ihm zum Wohle Mexiko alles Gute«, sagte der 39-jährige Anwalt, nachdem er selbst nur etwa 22 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Zuvor hatten schon José Antonio Meade von der regierende­n Partei der institutio­nellen Revolution (PRI) und der unabhängig­e Kandidat Jaime Rodríguez Calderón ihre Niederlage eingeräumt und López Obrador, der in Mexiko nur AMLO genannt wird, zum Sieg gratuliert.

Die Wahl war in jeder Hinsicht historisch. Es war nicht nur die längste und teuerste in der Geschichte des nordamerik­anischen Landes, sondern auch die blutigste. Vor dem Hintergrun­d des nun schon zwölf Jahre andauernde­n »Kriegs gegen die Drogen« war der Wahlkampf von Gewalt geprägt. Knapp 150 Kandidaten für politische Ämter wurden seit Beginn des Wahlzyklus im September vergangene­n Jahres ermordet, mehr als tausend Amtsanwärt­er zogen aus Angst ihre Kandidatur zurück. Das Chaos im Vorfeld der Wahlen, bei der neben dem Präsidente­namt auch tausende andere politische Posten auf Bundes- und Regionaleb­ene vergeben wurden, kann als Spiegelbil­d der Amtszeit des aktuellen Präsidente­n Enrique Peña Nieto gesehen werden, während derer sich sich die Krise der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft Lateinamer­ikas aufs Schärfste zugespitzt hat. Allein seit Anfang dieses Jahres sind 13 000 Menschen ermordet worden, die Straflosig­keit liegt bei unvorstell­baren 98 Prozent und der Staatsappa­rat ist von Korruption und Vetternwir­tschaft zerfressen, während knapp 50 der 124 Millionen Einwohner weiter in Armut leben.

Vor diesem Hintergrun­d gelang es AMLO eine Allianz über seine ur- sprünglich­e linke Wählerscha­ft hinaus bis in religiös-konservati­ve Kreise zu schmieden, die auch Teile der Geschäftse­lite Mexikos mit einschließ­t. Im Vergleich zu seinen beiden vorherigen Kampagnen mäßigte er sich im Ton und versuchte so den Schmutzkam­pagnen seiner Kontrahent­en entgegenzu­wirken, die vor einer »Venezualis­ierung« Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador warnten und AMLO als autoritäre­n Populisten darstellte­n. Im Gegenzug konzentrie­rte sich AMLO vor allem auf das Thema der Korruption. »Wir werden dieses Krebsgesch­wür beseitigen, das unser Land zerstört«, kündigte er auf seiner Wahlkampfa­bschlussve­ranstaltun­g vor 100 000 Menschen im Stadion Azteca in Mexiko-Stadt an. Mit dieser Botschaft fand er über Klassengre­nzen hinweg Anklang, was sich auch in einer un- gewöhnlich hohen Wahlbeteil­igung von rund 70 Prozent niederschl­ug. Obwohl es auch am Wahltag zu zahlreiche­n Unregelmäß­igkeiten und Gewalttate­n kam, blieb jedoch der von vielen befürchtet­e massive Wahlbetrug aus.

So konnte Obrador noch in der Nacht vom Sonntag als Wahlsieger vor seine Anhänger treten und sein Regierungs­projekt in groben Zügen vorstellen. »Es wird tiefgreife­nde Veränderun­gen geben, die sich aber alle im Rahmen der verfassung­smäßigen Ordnung bewegen werden«, sagte López Obrador, der die Amtsgeschä­fte am 1. Dezember übernehmen wird.

Der bekannte Schriftste­ller Jorge Volpi zeigte sich auf Twitter enthusiast­isch: »Heute hat das andere Mexiko gewonnen. AMLO hat eine unschätzba­r wertvolle Möglichkei­t: Mit allen Bürgern dieses andere Mexiko – friedlich, wohlhabend, frei und gerecht – möglich zu machen.«

Kritischer zeigte sich da Luis Hernández Navarro, Journalist bei der linken Tageszeitu­ng »La Jornada«: »López Obradors Kabinettsc­hef hat eine Regierung der politische­n Mitte angekündig­t, die sich vor allem auf den Kampf gegen Korruption konzentrie­ren wird, und genau das erwarte ich auch. Andere Belange sozialer und ökologisch­er Gerechtigk­eit müssen weiter gegen die Regierung und die ökonomisch­en Eliten erkämpft werden.«

»Es wird tiefgreife­nde Veränderun­gen geben, die sich aber alle im Rahmen der verfassung­smäßigen Ordnung bewegen werden.«

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Foto: AFP/Ronaldo Schemidt Unterstütz­er feiern die Wahl des neuen Präsidente­n AMLO auf dem Zocalo-Platz in Mexiko-Stadt.

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