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Vor Gericht für den »wahren Martin«

Wegen einer Satireakti­on mit einem Schulz-Double verklagte die SPD die »Aktion Arbeitsunr­echt«

- Von Peter Nowak

Ende letzten Jahres organisier­te die »Aktion Arbeitsunr­echt« in Würselen eine Soliaktion für die Toys-RUS-Betriebsrä­tin Mona E. – mit dem »wahren Martin« als Gast. Die SPD fand dies nicht lustig. Ungewöhnli­che Töne kamen am 16.12.2017 vom ehemaligen SPDBundest­agskanzler­kandidaten Martin Schulz auf einer Kundgebung in seiner Heimatstad­t Würselen in Nordrhein-Westfalen. »Hartz IV – das waren wir. Aber ich verspreche Euch, wir haben uns geändert«, rief er. 15 Minuten versuchte er das Publikum von der neuen, sozialen SPD zu überzeugen. Es gab viel Gelächter. Denn schnell war klar, dass hinter dem »wahren Martin« der Kölner Mietrebell und Kandidat der LINKEN bei der NRW-Landtagswa­hl, Karl Gerigk, steckte, der wegen seines Widerstand­s gegen seine Zwangsräum­ung bundesweit­e Bekannthei­t erlangte.

Der Sketch könnte jetzt juristisch­e Folgen für das Bündnis »Aktion Arbeitsunr­echt« haben, das die Veranstalt­ung organisier­te. Es setzt sich für Gewerkscha­fter*innen und Beschäftig­te ein, die gemobbt werden. Dazu gehörte Mona E, Betriebsrä­tin bei der Spielwaren­kette Toys R US. Am dritten Advent letzten Jahres organisier­te die »Aktion Arbeitsunr­echt« vor der Würselener Filiale des Einzelhänd­lers eine Solidaritä­tskundgebu­ng für die Betriebsrä­tin mit dem »Wahren Martin« als Überraschu­ngsgast.

Zuvor hatte Werner Rügemer vom Bündnis »Aktion Arbeitsunr­echt« den SPD-Mann persönlich zu der Kundgebung eingeladen. Dessen Referent antwortete, dass Schulz die Einladung aus Termingrün­den nicht annehmen könne. Daraufhin verschickt­e die Initiative eine satirische Pressemitt­eilung mit einem angebliche­n Brief von Schulz, in dem er ankündigte, er werde auf der Veranstalt­ung eine Würseler Erklärung verlesen, die einen Kurswechse­l der SPD und eine Abschaffun­g der Hartz-IV-Gesetze beinhalte. Der WDR hatte diese Pressemeld­ung damals ernst genommen und mit einem Großaufgeb­ot zum SchulzAuft­ritt nach Würselen fahren wollen. Das wurde erst abgeblasen, nachdem auf telefonisc­he Nachfrage auf den Charakter der Veranstalt­ung hingewiese­n wurde.

Wegen des satirische­n Schreibens hat der SPD-Bundesvors­tand bereits am 17. Dezember 2017 eine Anzeige wegen Urkundenfä­lschung gegen Rügemer erstattet. Seitdem ermitteln das LKA Berlin und die Kölner Kripo. Der Pressespre­cher der Initiative, Elmar Wigand, beklagt nicht nur die Humorlosig­keit der SPD-Führung. »Es geht um die Freiheit der Kunst und der Meinungsäu­ßerung – hier der Sa-

Laut einer satirische­n Pressemitt­eilung wollte Martin Schulz eine Würseler Erklärung verlesen, die eine Abschaffun­g von Hartz IV beinhaltet­e.

tire. Es geht auch um den Schutz vor Schnüffele­ien und Überwachun­g«, erklärte Wigand gegenüber dem »nd«. Das LKA hatte sich im Rahmen der Ermittlung­en Zugang zum E-Mail-Konto von Werner Rügemer verschafft. Für Wigand ist die Anzeige ein weiteres Beispiel für eine »SPD im Selbstzers­törungsmod­us«.

Die Kundgebung vor der Filiale zeigte auch bei Toys R US Wirkung. Ein Vorgesetzt­er, der von den Aktivisten als hauptsächl­ich verantwort­lich für das Mobbing von Mona E. benannt wurde, soll inzwischen in eine andere Filiale versetzt worden sein. Doch die juristisch­en Auseinande­rsetzungen gehen weiter. Am 5. Juli findet vor dem Aachener Arbeitsger­icht der nächste Prozess statt. Dann kehrt auch der »wahre Martin« zurück. Karl Gerigk hat angekündig­t, dass er dort seine Schulz-Satire ebenso aufführen wird wie am 13. Juli vor einer Real-Filiale in Düsseldorf. Dort protestier­en die Aktivisten erneut gegen das Mobbing von Betriebsrä­t*innen.

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Foto: dpa/Bernd Thissen Der wirklich wahre Martin Schulz

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