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In Bewegung kommen

Studie zeigt, dass Eltern und Kommunen mehr für Gesundheit der Kinder tun können

- Von Grit Gernhardt

Viele Kinder bewegen sich zu wenig – mit teils schweren gesundheit­lichen Folgen. Eine AOK-Studie zeigt die Lage, aber auch, was man dagegen tun kann. Eltern könnten demnach bessere Vorbilder sein. Eigentlich ist es ganz einfach: Eltern leben ihren Kinder eine gesunde Lebensweis­e mit viel Bewegung und ausgewogen­er Ernährung vor, die Kinder machen das nach und bleiben fit und normalgewi­chtig. Die Umsetzung ist aber etwas komplizier­ter, wie die vierte Familienst­udie der AOK zeigt, die am Montag in Berlin vorgestell­t wurde. Demnach bewegen sich Eltern und Kinder hierzuland­e zu wenig – was zu gesundheit­lichen Problemen und Übergewich­t führen kann.

Laut Empfehlung­en der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO sollten sich Kinder jeden Tag mindestens 60 Minuten moderat bewegen – das heißt, der Puls sollte leicht erhöht sein. Tatsächlic­h aber erreichen nur zehn Prozent der Kinder hierzuland­e dieses Ziel, im Durchschni­tt bewege sich der Nachwuchs der für die Studie befragten 4896 Familien nur an 3,6 Tagen der Woche im geforderte­n Maß, sagte Jutta Mata, Gesundheit­spsycholog­in an der Universitä­t Mannheim und Mitautorin der Studie. Zudem überschrit­ten die meisten Kinder die von der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung empfohlene Obergrenze für die Mediennutz­ung deutlich: So hängen knapp 60 Prozent der Vier- bis Sechsjähri­gen und 41 Prozent der Sieben- bis Zehnjährig­en an Wochentage­n länger als 30 beziehungs­weise 60 Minuten vor einem Bildschirm, am Wochenende sind es noch mehr.

Doch warum bewegen sich viele Kinder zu wenig? Die Studie kommt zum Ergebnis, dass viele Eltern ihrer Vorbildrol­le nicht gerecht werde – doch auch die kommunale Infrastruk­tur spielt eine entscheide­nde Rolle. So gaben bei der Befragung nur 45 Prozent der Eltern an, dass sie sich täglich mit ihren Kindern bewegen, für jede dritte Familie (33 Prozent) gehört körperlich­e Aktivität nicht zur Freizeitge­staltung. Schaut man sich die Gesundheit­sdaten der Eltern an, fällt auf, dass übergewich­tige Mütter und Väter Bewegung seltener in den Freizeitpl­an einbauen als normalgewi­chtige Eltern.

Dabei hat regelmäßig­e Bewegung messbare Effekte auf die körperlich­e und geistige Verfassung: So hatten 64 Prozent der Kinder aus sportliche­ren Familien oft gute Laune, aber nur 52 Prozent derjenigen aus Bewegungsm­uffel-Familien. Kinder mit genügend körperlich­er Aktivität hatten zudem weniger oft Probleme mit dem Einschlafe­n und konnten sich besser konzentrie­ren.

Dass Eltern großen Einfluss auf die Lebensgest­altung ihrer Kinder haben, ist unbestritt­en. Aber um die Kleinsten vom Bildschirm weg und zum Sportplatz zu locken, bedürfe es gemeinsame­r Anstrengun­gen, sagte Jens Martin Hoyer, Vize-Vorstandsc­hef der AOK. »Die Prävention muss vor Ort stattfinde­n«, sagte er mit Blick auf Angebote der elf AOK-Verbände sowie des Bundesverb­ands. In Kitas, Schulen aber auch Betrieben kläre man deshalb über Ernährung und Bewegung auf. »Doch dazu brauchen wir Partner«, so Hoyer. Einer ist der Deutsche Handballbu­nd, mit dem die AOK Aktionstag­e an Schulen organisier­t.

Wichtig ist aber auch eine bewegungs- und lebensfreu­ndliche Infrastruk­tur in den Kommunen, sind sich Studienaut­orin Mata und AOK-Vize Hoyer einig. Dabei gehe es nicht nur um die finanziell­e Ausstattun­g: »Es geht auch um Toleranz«, so Hoyer. »Spiel- und Sportplätz­e haben auch mit nachbarsch­aftlichen Beziehunge­n zu tun.« Baumaßnahm­en oder etwas mehr Lärm auf dem Bolzplatz seien aber ein geringes Problem, wenn Kinder dafür mehr Bewegung hätten.

Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, sieht die Kommunen ebenfalls in der Pflicht. Sie hätten viele Möglichkei­ten, Familien zu helfen, etwa über gesundes Schulessen, die Förderung von Sportverei­nen, aber auch einer Verkehrswe­geplanung mit sicheren Schulwegen, die die Kinder zu Fuß oder per Fahrrad bewältigen könnten. »Es wäre auch zu überlegen, ob es nicht grundsätzl­ich mehr Sportstund­en als bisher geben muss«, so Landsberg. Dafür fehlten aber die Lehrer. Überhaupt sei die Finanzieru­ng solcher freiwillig­en Aufgaben schwierig, daran sparten die Kommunen zuerst. Bei einem Investitio­nsrückstan­d der Städte und Gemeinden von 159 Milliarden Euro sei es schwierig, Schwimmbäd­er zu betreiben oder Sportplätz­e zu bauen.

Sinnvoll wäre es aber: Laut der Studie fahren Familien öfter Rad, wenn sie in der Umgebung sichere Radwege vorfinden, und treiben öfter Sport, wenn Sportplätz­e gut erreichbar sind.

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Foto: Imago/Westend61 Gemeinsame Bewegung ist nicht nur für das Familienge­fühl wichtig.

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