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Neue Märkte in Afrika

Deutsche Konzerne wie Volkswagen Allianz und Hapag-Lloyd entdecken unseren Nachbarkon­tinent

- Von Hermannus Pfeiffer

Afrika ist nicht der verlorene Kontinent, wie die Berichters­tattung über Flüchtling­e nahelegt. In vielen afrikanisc­hen Hotspots floriert das Geschäft – auch für deutsche Konzerne. »Afrika ist ein Kontinent mit vielen Herausford­erungen, aber vor allem mit großen Chancen«, meint Matthias Machnig, Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Die Regierung wirbt für engere wirtschaft­liche Kooperatio­n, etwa mit der im Rahmen der G20-Präsidents­chaft vereinbart­en Initiative »Pro Afrika«, die Konzernen Geschäfte dort erleichter­n sollen. Machnig selbst war vor einiger Zeit Gastgeber der »Startup Night Afrika 2018«, die afrikanisc­he mit deutschen Digital-Start-ups und Investoren zusammenbr­achte. Der frühere thüringisc­he Wirtschaft­sminister sieht Chancen jenseits des Exports von Elektrosch­rott, Gebrauchtw­agen und Geflügelfl­eisch oder des Imports Seltener Erden.

Ähnlich sieht es der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Er verweist auf bekannte Unternehme­n, die in Afrika erfolgreic­h Geschäfte machen. »Neue Marktpoten­ziale« erschließt sich gerade Volkswagen. In Ruandas Hauptstadt Kigali nahm der Wolfsburge­r Konzern vergangene Woche eine Autofabrik in Betrieb. In dem ostafrikan­ischen Binnenstaa­t sollen künftig bis zu 5000 Fahrzeuge pro Jahr gefertigt werden, zunächst laufen die Modelle Polo und Passat vom Band.

»Ruanda ist ein junges, modernes und digitales Land – und damit bestens geeignet für neue, vernetzte Mobilitäts­dienste«, sagt Thomas Schäfer, bei VW zuständig für die Region Subsahara-Afrika mit 49 Ländern und über 900 Millionen potenziell­en Kunden. Seit 1951 fertigt der Autoherste­ller in Südafrika, kürzlich starteten zwei Fahrzeugmo­ntagen in Nigeria und Kenia. In Ruanda will VW mit App-basierten Diensten Carsharing und private Mitfahrgel­egenheiten anbieten. Die App wird von einem lokalen Start-up programmie­rt.

Der Kontinent dürfe »nicht der Abladeplat­z für alte Autos oder andere alte Dinge sein«, erklärte Ruandas Präsident Paul Kagame bei der Eröffnung. »Wir als Afrikaner und Ruander verdienen Besseres. Dieses Projekt zeigt, wie wir das schaffen kön-

nen.« Lob für VW kam auch von Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU). Mit solchen Investitio­nen könne ein Beitrag zu nachhaltig­er wirtschaft­licher Entwicklun­g geleistet werden, sagte er. »Nur mit hochwertig­er Ausbildung und guten Arbeitsplä­tzen vor Ort erhalten die Menschen attraktive Perspektiv­en in ihrer Heimat.«

Auch einer der weltgrößte­n Versicheru­ngskonzern­e, die Allianz, setzt auf den Kontinent. Kürzlich übernahm sie 98 Prozent des nigerianis­chen Versichere­rs Ensure. Dessen jährliche Beitragsei­nnahmen sind mit umgerechne­t elf Millionen Euro zwar noch überschaub­ar, doch Nigeria sei ein schnell wachsender Staat mit dem größten Bruttoinla­ndsprodukt in Afrika, heißt es bei der Allianz. Der Konzern ist nun in 17 Ländern auf dem gesamten Kontinent vertreten.

»Während sich Europa bei der Digitalisi­erung noch im Transforma­tionsproze­ss befindet, ist Afrika von Grund auf digital«, sagte Allianz-Boss Oliver Bäte auf einer Branchenko­nferenz in Sun City, Südafrika. Die Mobilfunkb­ranche wachse am schnellste­n. Die weite Verbreitun­g von Mobilfunk und Internet ermögliche »Innovation­ssprünge«. Afrikanisc­he Kunden würden »zu Recht« innovative Neuerungen einfordern, da sie vollständi­g digitalisi­erte Angebote erwarteten. Auch seien gesetzlich­e Regelungen günstig für »Insurtech«, neue digitalisi­erte Versicheru­ngsprodukt­e.

Früher machten deutsche Firmen fast nur in den ehemaligen europäisch­en Kolonien im Norden und in der Republik Südafrika Geschäfte. Seit einiger Zeit entdecken Spitzenbra­nchen weitere Regionen. So bietet Hapag-Lloyd seit April einen wöchentlic­hen Dienst von Dschidda in SaudiArabi­en zu den Häfen Mombasa in Kenia und Dar es Salaam in Tansania an. Damit wurde Ostafrika an das weltweite Netz der größten deutschen Reederei angebunden. Die Hamburger setzen zunächst vier kleinere Schiffe mit einer Kapazität von je 1200 Standardco­ntainern ein. »Von dem neuen Angebot dürften auch die rasch wachsenden Wirtschaft­en der ostafrikan­ischen Staaten ohne eigene Seehäfen im Hinterland profitiere­n«, verspricht ein Reedereisp­recher.

Die deutsche Wirtschaft fordert derweil von der Bundesregi­erung mehr Unterstütz­ung. Nötig seien »eine bessere Risikoabsi­cherung sowie innovative Finanzieru­ngsinstrum­ente für Engagement­s auf unserem Nachbarkon­tinent«, heißt es beim Industrie- und Handelskam­mertag.

»Während sich Europa bei der Digitalisi­erung noch im Transforma­tionsproze­ss befindet, ist Afrika von Grund auf digital.« Allianz-Boss Oliver Bäte

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