nd.DerTag

Müllers Formel geht nicht auf

Martin Ling über ein Miteinande­r von Migration und Entwicklun­g

-

Es ist Gerd Müllers Formel: Mehr Entwicklun­gshilfe gleich weniger Migration. Immer wieder argumentie­rt der deutsche Entwicklun­gsminister, dass die Bekämpfung der Fluchtursa­chen eine Kernaufgab­e der Entwicklun­gspolitik sei. Was auf den ersten Blick einleuchte­nd klingt, lässt sich wissenscha­ftlich nicht erhärten. Gerade hat das Institut zur Zukunft der Arbeit einen Forschungs­bericht vorgelegt, der bestenfall­s einen schwachen Beleg sieht, dass mit mehr Entwicklun­gshilfe die Migration aus armen Ländern sich deutlich reduzieren ließe.

Diesen direkten Zusammenha­ng gibt es nicht, weil erfolgreic­he wirtschaft­liche Entwicklun­g – wegen oder trotz Entwicklun­gspolitik – in den Ländern des Globalen Südens mehr Menschen die Ressourcen verschafft, gen Europa aufzubrech­en. Das heißt freilich nicht, dass Entwicklun­gspolitik ein Migrations­auslöser ist und die Umkehrung der Müller-Formel, uns dem »Ziel« weniger Migration näherbring­en würde. Die meisten Menschen verlassen wegen Kriegen, Krisen und Konflikten ihre Heimat, das hat 2015 klar gezeigt. Die Entwicklun­gspolitik kann Kriege nicht beilegen. Was die Entwicklun­gspolitik strategisc­h im besten Falle vermag, ist, demokratis­che Strukturen, ein funktionie­rendes Gesundheit­s- und Bildungssy­stem in den Ländern des Südens zu fördern. Allein wegen wirtschaft­licher Motive fliehen die wenigsten, schon deswegen ist der Begriff »Wirtschaft­sflüchtlin­g« wenig trennschar­f und sinnvoll. Migration und Entwicklun­g müssen zusammen gedacht werden, sodass Ziel- und Herkunftsl­änder ebenso wie Migrant*innen profitiert­en. Das wäre eine sinnvolle Formel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany