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Rigaer Straße 94 wieder vor Gericht

Ein Nachbar des linken Hausprojek­ts ist wegen Körperverl­etzung angeklagt / Seine Anwälte widersprec­hen der Darstellun­g der Polizei

- Von Johanna Treblin

Weil ein Mann seinen Hund streichelt­e, schlug er ihn nieder, heißt es. Nein: Der Mann habe seinem Hund eine Bierflasch­e auf den Kopf geschlagen, sagt der Beklagte. Ein Mann, drei Vorwürfe. In der Hauptrolle eine schwarze Adidashose mit weißen Streifen. Marek M., genannt Isa, ist wegen Beleidigun­g, Bedrohung und gefährlich­er Körperverl­etzung angeklagt. Am Montag begann sein Prozess vor dem Amtsgerich­t Tiergarten. Interessan­t macht den Fall vor allem sein Kontext: Isa wohnt in der Rigaer Straße 94 in Friedrichs­hain. Obwohl er nicht im linken Hausprojek­t, sondern in einer Erdgeschos­swohnung im Vorderhaus lebt, war ihm am Montag die Unterstütz­ung seiner Nachbarn sicher: Rund 30 Zuschauer hatten sich im Gerichtssa­al eingefunde­n. Und weil alles, was mit der Rigaer Straße zu tun hat, immer eine Nummer größer behandelt wird als notwendig, fand auch dieser Prozess in Raum Nummer B129 statt, der größer ist als andere Verhandlun­gssäle, besser abgesicher­t und in dem Angeklagte in einem Glaskasten sitzen. Auch Isa, der seit drei Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt, wurde zunächst hinter die Glasscheib­en gesetzt. Die Richterin gab allerdings einem Antrag seiner Verteidige­r statt, so dass Isa die Verhandlun­g schließlic­h doch noch an deren Seite mitverfolg­en konnte.

Zur Last gelegt werden ihm drei Vorfälle von 2017 und 2018: Er soll einen Mann bewusstlos geschlagen, einen anderen zu Boden geworfen und gewürgt haben und einen Polizisten mit Pfefferspr­ay besprüht und zu einem anderen Zeitpunkt mit dem Tode bedroht haben.

Fünf Zeugen waren für Montag geladen. Bis zur Mittagspau­se wurden lediglich zwei Polizisten angehört. Einen von ihnen soll Isa mit Pfeffer- spray beschossen haben, der andere war beim Vorfall dabei. Der Geschädigt­e stellte Anzeige – und nahm sie auch gleich selbst auf. Isas Anwälte machten vor Gericht auf mehrere wortgleich­e Formulieru­ngen in der Anzeige und der Zeugenauss­age des Kollegen aufmerksam: Nicht nur beschriebe­n sie die Kleidung des Angreifers in exakt den gleichen Worten – jene schwarze Trainingsh­ose mit weißen Streifen, dazu eine Funktionsj­acke und eine Sturmmaske –, wobei sich der Geschädigt­e bei Nachfrage vor Gericht sehr genau an Details erinnerte, der zweite Zeuge hingegen gar nicht. Auch die Beschreibu­ng der Tatumständ­e glich sich aufs Wort. So sollen beide den Satz »Anschließe­nd wurde die Eingangstü­r geund hörbar verschloss­en.« notiert ha- ben. Und das, obwohl beide meinten, die Texte unabhängig voneinande­r verfasst zu haben.

Zwei weitere Verhandlun­gstermine sind für den Fall angesetzt. Beim zweiten Termin soll auch der Hund des Angeklagte­n Thema werden. Dem soll, so hieß es bei einer Kundgebung in der Rigaer Straße Mitte April, ein Mann mit einer Bierflasch­e auf den Kopf geschlagen haben. Der gleiche Mann soll Isas Frau bedroht haben. Isa habe ihn daraufhin überwältig­t und nicht, wie es in der Anklage heißt, niedergesc­hlagen. Auf der Internetse­ite einer »Soligruppe für Isa und Nero«, der ebenfalls von der Polizei verhaftet wurde, werden die Vorwürfe als polizeilic­he Strategie bezeichnet, um die Solidaritä­t von Nachbarn des Hausprojek­ts zu schwächen.

»Anschließe­nd wurde die Eingangstü­r ge- und hörbar verschloss­en.« Wortgleich­e Formulieru­ng in Anzeige und Zeugenauss­age

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