nd.DerTag

Kämpfer für das Recht auf Gewissen

Wehrmachts­deserteur Ludwig Baumann gestorben

- Uwe Kalbe

Ludwig Baumann galt als letzter Wehrmachts­deserteur. Am Donnerstag ist der Kämpfer für die Rehabiliti­erung der Opfer der NS-Militärjus­tiz mit 96 Jahren in Bremen gestorben. Baumann hatte sich früh entschiede­n, dem vorbestimm­ten Schicksal zu widerstehe­n, das ihn 1942, als er mit seinem Freund in Bordeaux die deutsche Okkupation­struppe verließ, zum Verräter stempelte. Zunächst zum Tode verurteilt, landete er in KZ-Haft und dann im Strafbatai­llon. Diskrimini­erung begleitete Baumann, Sohn eines wohlhabend­en Hamburger Kaufmanns, auch nach dem Krieg in der Bundesrepu­blik, wo Deserteure und angebliche »Wehrkraftz­ersetzer« weiterhin gesellscha­ftlicher Verachtung anheimfiel­en. Ludwig Baumann kämpfte gegen diese Ungerechti­gkeit erst verzweifel­t und dann zunehmend selbstbewu­sst an.

Erfolg hatten seine und die Bemühungen seiner Mitstreite­r, als er bereits in hohem Alter war. 1998 verabschie­dete der Bundestag ein Gesetz zur Rehabiliti­erung von Kriegsdien­stverweige­rern, 2002 wurden homosexuel­le NSOpfer sowie Deserteure und 2009 schließlic­h auch die wegen Kriegsverr­ats verurteilt­en Opfer der faschistis­chen Militärjus­tiz re- habilitier­t. »Was als Tabubruch und Provokatio­n begann, führte nach beharrlich­em Kampf zu einer konstrukti­ven gesellscha­ftlichen Debatte«, so die Bundesvere­inigung Opfer der NS-Militärjus­tiz, deren Vorsitzend­er Baumann seit 1990 war, in ihrem Nachruf. Deren Ergebnisse gelte es unumkehrba­r zu machen. Dass dies nicht selbstvers­tändlich ist, zeigt der bis heute vergeblich­e Kampf der Vereinigun­g um eine angemessen­e Gedenkauss­tellung in Torgau, Zentrum der NS-Militärjus­tiz, ab 1943 Sitz des Reichskrie­gsgerichts. Bis 1945 fällte die Militärjus­tiz 50 000 Todesurtei­le, von denen etwa 20 000 vollstreck­t wurden. Baumann veröffentl­ichte seine Erfahrunge­n 2014 in dem Buch »Nicht gegen das Gewissen«.

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Foto: Lothar Eberhardt

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