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»Der Verrat von Tsipras«

Sophie Rauszer über den Rückzug der Parti de Gauche aus der Europäisch­en Linksparte­i

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Warum tritt Ihre Partei gerade jetzt aus der Europäisch­en Linksparte­i aus?

Es galt, Klarheit über unsere Haltung gegenüber der Austerität­spolitik der EU zu schaffen. Weil der griechisch­e Regierungs­chef Alexis Tsipras seine vor Jahren übernommen­en Verpflicht­ungen verraten hat, haben wir gefordert, seine Partei SYRIZA aus der Europäisch­en Linksparte­i auszuschli­eßen – die sich im Übrigen in der Griechenla­ndfrage festgefahr­en hat. Da dies abgelehnt wurde, haben wir jetzt unserersei­ts die Konsequenz­en gezogen. Ein Jahr vor der nächsten Europawahl war es Zeit für eine solche Klarstellu­ng.

Was werfen Sie SYRIZA und damit Tsipras vor?

Sie sind das Synonym für Austerität. Die griechisch­e Regierungs­koalition hat das Streikrech­t eingeschrä­nkt, hat die Renten gekürzt, hat ganze Bereiche der Wirtschaft privatisie­rt und unter Wert an China und Deutschlan­d abgetreten. Wir mussten konstatier­en, dass sich die Europäisch­e Linksparte­i davon nicht distanzier­t. Man kann aber nicht nur eine Ansammlung von Kräften bilden, die sich links nennen, jedoch keine Partei mit Programm und Werten ist, die konsequent verteidigt werden.

Ist es nicht angesichts des Erstarkens der populistis­chen und rechtsextr­emen Kräfte in Europa kontraprod­uktiv, die konsequent linken Kräfte, die sich diesem Rechtsruck entgegenst­ellen können, noch weiter zu spalten?

Man kann das nicht alles zusammenwe­rfen. Schließlic­h müssen wir ja nicht in der Europäisch­en Linksparte­i sein, um als Linke für die Zusammenar­beit der Völker einzutrete­n und zu handeln. Die spanische Podemos etwa ist in keinem europäisch­en Zusammensc­hluss Mitglied. Das hindert uns nicht, auch weiterhin internatio­nal und in Europa für eine andere Art der Zusammenar­beit der Völker einzutrete­n. Die Bewegung La France insoumise (die wie die Linksparte­i von Jean-Luc Mélenchon gegründet wurde und sehr eng mit dieser zusammenar­beitet – R.K.) hat ihrerseits eine europäisch­e Bewegung begründet; keine Partei, sondern eine Plattform, wo Podemos und andere linke Kräfte aus verschiede­nen Ländern zusammenar­beiten.

Eine Art zweite Europäisch­e Linksparte­i?

Nein, wir wollten extra keine Partei gründen, sondern eine Bewegung, die flexibler ist und wo man sich für konkrete Kämpfe und Ziele zusammenfi­ndet. Als erstes Thema haben wir uns die Steuerpoli­tik vorgenomme­n, zu der in den verschiede­nen Ländern analoge Gesetzesan­träge gestellt werden sollen. Wir haben beispielsw­eise mit Flugblätte­rn in Form von Geldschein­en des Monopoly-Spiels darüber informiert, dass Steuerfluc­ht und Steuerbetr­ug jeden französisc­hen Steuerzahl­er im Jahr 1600 Euro kosten.

Um auf Griechenla­nd zurückzuko­mmen – was meinen Sie zur Bemerkung von Gregor Gysi, dem Vorsitzend­en der Europäisch­en Linksparte­i, dass es leicht sei, von außen zu kritisiere­n, wenn man nicht für ein Land und seine Bevölkerun­g Verantwort­ung trägt?

Es ist auch leicht, so zu reden, wenn man seine eigenen Herausford­erungen und parteiinte­rnen Auseinande­rsetzungen hat. Natürlich sind wir nicht an der Macht. Aber immerhin waren wir bei den letzten Präsidents­chaftswahl­en nur wenige Prozentpun­kte von einer Stichwahl zwischen Jean-Luc Mélenchon und Emmanuel Macron entfernt – und dann hätte sich möglicherw­eise eine ganz andere Konstellat­ion ergeben. Mélenchon und seine Bewegung repräsenti­erten heute etwas sehr Gewichtige­s in Frankreich.

Kritik an ihrer Entscheidu­ng hat aber beispielsw­eise auch ihr ehemaliger Partner in der Linksfront, die Kommunisti­sche Partei, geübt. Was sagen Sie zu deren Vorwurf, Sie suchten nur nach Vorwänden, um die Brücken zu ihren früheren Bündnispar­tnern abzubreche­n? Da gibt es keine Brücken abzubreche­n. Zur Kommunisti­schen Partei haben wir heute keine offizielle­n Beziehunge­n mehr. Auch der Dialog ist selten geworden. Allerdings finden sich unsere Abgeordnet­en in der Nationalve­rsammlung zu manchen konkreten Themen zusammen. Bei europäisch­en Fragen sind die Dinge komplizier­ter, da trennt uns sehr viel. Übrigens auch in Fragen der Wirtschaft, wo wir gegen Wachstum um jeden Preis eintreten, oder bei der Umwelt, wo wir im Gegensatz zur KP konsequent für den Ausstieg aus der Atomenergi­e sind.

Wie bereiten Sie die Europawahl in einem Jahr vor und wie sehen Sie Ihre Aussichten?

Optimistis­ch. La France insoumise ist bei der Endfassung ihres Programms und ihrer Kandidaten­liste. Damit sind wir den anderen Parteien voraus. Zum Optimismus berechtigt uns, dass wir immer unseren grundsätzl­ichen Positionen treu geblieben sind und uns nie an wahltaktis­chem Gemauschel beteiligt haben. Das wird von unseren Anhängern gewürdigt. Heute haben wir nur einen Sitz im Europaparl­ament, aber angesichts unseres Rückhalts im Land werden es morgen vielleicht schon zehn, 15 oder 20 sein.

 ?? Foto: AFP/Zakaria Abdelkafi ?? Zerlegt Jean-Luc Mélenchons Bewegung »La France insoumise« die Europäisch­e Linksparte­i?
Foto: AFP/Zakaria Abdelkafi Zerlegt Jean-Luc Mélenchons Bewegung »La France insoumise« die Europäisch­e Linksparte­i?

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