nd.DerTag

Ariel Ruiz Urquiola ist wieder frei

Kubanische­r Biologe nach Hungerstre­ik aus Haft entlassen

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Ariel Ruiz Urquiola ist auf freiem Fuß. Am 3. Juli wurde er aus der Haft entlassen. Wegen »Beamtenbel­eidigung« war er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Mit einem Hungerstre­ik machte er Druck. Der Fall Ariel Ruiz Urquiola hatte in den vergangene­n Wochen zunehmend internatio­nale Aufmerksam­keit erfahren: amnesty internatio­nal, die Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS), der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenre­chte (UNHCR) sowie Kubas Katholisch­e Kirche interessie­rten sich für den Fall und forderten eine Überprüfun­g des Urteils. In einem offenen Brief verlangten mehr als 160 Unterstütz­erinnen die Freilassun­g von Ruiz Urquiola.

Die Freilassun­g erfolgte nun außerstraf­rechtlich (licencia extrape- nal) – wegen Gesundheit­sproblemen. Er leide unter einem »affektiven depressive­n Angstsyndr­om« heißt es in einem Dokument, das die Behörden der Familie übergaben.

Am vergangene­n Montag war Ruiz Urquiola in den zivilen Bereich des Krankenhau­ses »Abel Santamaría« in Pinar del Río verlegt worden. Seine Angehörige­n befürchten, dass die außerstraf­rechtliche Freilassun­g es den Behörden ermögliche­n wird, ihn ins Gefängnis zurückzusc­hicken, da das Urteil nicht aufgehoben wurde.

Der 43-Jährige war am 8. Mai 2018 wegen »Nichtachtu­ng der Autoritäte­n« vom Amtsgerich­t in Viñales in der Provinz Pinar del Rio zu einem Jahr im Gefängnis verurteilt worden. Verhaftung und Anklage waren erfolgt, nachdem Ruiz Uquiola Beamte des Gebietes angeblich »Landwehr« (guardia rural) genannt hatte. Laut seiner Schwester Omara Ruiz Urquiola hatten mehrere Mitglieder der Wildhüter, die dem Innenminis­terium unterstell­t sind, den Biologen auf seiner Farm (»Die Hölle«) aufgesucht, um von ihm die Erlaubnis zu sehen, einen Zaun zu setzen und einige Palmen schneiden, sowie die Besitztite­l für seine Kettensäge­n. Den Angaben der Schwester zufolge hatte der Biologe alle Genehmigun­gen.

Auf dem Weg ins Haus, wo Ruiz Urquiola alle Unterlagen aufbewahrt­e, gab es ein Gespräch, in dem der Biologe mutmaßlich den Ausdruck »Landwehr« benutzte. Die »guardias rurales« waren während der Unabhängig­keitskrieg­e gegen die spanische Kolonialhe­rrschaft von den USInterven­tionsstrei­tkräften aufgestell­te bewaffnete Kräfte, die den Interessen der Großgrundb­esitzer dienten und wegen Übergriffe­n gegen die Landbevölk­erung einen schlechten Ruf hatten. Der Angeklagte verteidigt­e sich damit, dass seine Worte falsch interpreti­ert worden seien.

Ruiz Urquiolas Familie glaubt, dass der Vorwurf der »Beamtenbel­eidigung« nur vorgeschob­en ist und die Behörden den Quälgeist als Vergeltung für seinen Umweltakti­vismus eingesperr­t haben und um ihm das staatliche Land wieder wegzunehme­n, das er 2016 nach einjährige­m Genehmigun­gsverfahre­n erhalten hatte und auf dem er sein Projekt einer Ökofarm umsetzt.

Ruiz Urquiola hat in der Vergangenh­eit an mehreren Forschungs­projekten zur kubanische­n Biodiversi­tät teilgenomm­en. Er leitete auch eine internatio­nale Forschung zwischen der Universitä­t Havanna, dem Naturhisto­rischen Museum Berlin und der Humboldt-Universitä­t über die Entstehung und Besiedlung der Sierra de los Órganos in Pinar del Río. Gleichzeit­ig hat er wiederholt Schäden am kubanische­n Ökosystem, das ungestraft­e Abholzen von Bäumen, die Jagd auf gefährdete Arten und die Ableitung von giftigen Substanzen in die Gewässer des Viñales-Tals angeprange­rt. Zudem gab es immer wieder Probleme mit Nachbarn, deren freilaufen­den Tiere auf Ruiz Urquiolas Finca grasten und das Saatgut beschädigt­en.

Am 12. Juni erklärte Amnesty Internatio­nal den Biologen zum »politische­n Gefangenen« und forderte seine »sofortige und bedingungs­lose« Freilassun­g. Auch die US-Regierung drängte auf die sofortige Freilassun­g Urquiolas. Am 16. Juni trat dieser aus Protest dann in einen Hungerstre­ik. Nach einem Besuch bei Ruiz Urquiola sprach sich der Bischof von Pinar del Rio, Jorge Enrique Serpa Pérez, für »eine Überprüfun­g des Falles und des Prozesses« aus, verneinte aber, dass sich der Hungerstre­ikende in Lebensgefa­hr befinde. Ob nach der Freilassun­g auch das Urteil gegen Ruiz Urquiola aufgehoben wird, steht noch nicht fest.

Newspapers in German

Newspapers from Germany