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Was kommt nach den Krediten?

Debatte im Europaparl­ament über Griechenla­nd nach Auslaufen der EU-Programme

- Von Peter Eßer, Straßburg

Ist die wirtschaft­liche und finanziell­e Lage in Griechenla­nd wirklich so stabil, wie es die Eurogruppe darstellt? Abgeordnet­e im Europaparl­ament haben da so ihre Zweifel. »Heute ist Griechenla­nd bereit, wieder auf eigenen Füßen zu stehen«, verkündete Eurogruppe­n-Chef Mario Centeno schon vor einigen Wochen euphorisch. Das Land verzeichne­te im Jahr 2017 erstmals seit der Krise 2008 mit 1,4 Prozent wieder ein halbwegs solides Wirtschaft­swachstum. Nach acht Jahren am Tropf der internatio­nalen Geldgeber soll die Regierung in Athen deshalb ab August von ihnen keine neuen Kredite mehr erhalten. Am Mittwoch wurde im EU-Parlament darüber diskutiert, wie es danach mit dem hoch verschulde­ten Mittelmeer­staat weitergehe­n soll.

Seit 2010 wurde Griechenla­nd durch die Europartne­r und den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) mehrfach vor dem Staatsbank­rott bewahrt. Im Gegenzug musste Athen schmerzhaf­te Kürzungen und Reformen umsetzen. Das dritte Kreditprog­ramm endet am 20. August. Da das Land wieder auf Wachstumsk­urs zu sein scheint und auch die Ratingagen­turen die Bonität Griechenla­nds zuletzt erhöht hatten, einigten sich die Finanzmini­ster der Euroländer darauf, nach der Auszahlung der letzten Tranche und der Gewährung kleinerer Schuldener­leichterun­gen kein viertes Programm auf den Weg zu bringen. Auch die Regierung in Athen will dies nicht. Umstritten ist, ob die Finanzen des Landes weiter einer scharfen Beobachtun­g durch die EUAufseher unterliege­n soll, was die Griechen unbedingt vermeiden möchten.

Die meisten EU-Abgeordnet­en begrüßten bei der Debatte in Straßburg die positive Entwicklun­g, nur wenige teilten jedoch die Euphorie des Eurogruppe­n-Chefs. »Es gibt keinen Grund zum Feiern«, sagte der griechisch­e Abgeordnet­e Manolis Kefalogian­nis. Das Mitglied der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i verwies auf noch ausstehend­e Reformen und die strenge Kontrolle durch die Europartne­r. De facto müsse sich Griechenla­nd nun doch einem vierten Programm stellen, sagte Kefalogian­nis.

Im Detail sieht der Plan der Eurogruppe Kreditrück­zahlungen bis 2060 vor. Insgesamt waren Griechenla­nd seit 2010 Kredite in Höhe von insgesamt 274 Milliarden Euro zugesagt worden. Bis diese Schuld beglichen ist, muss die Regierung in Athen einen dauerhafte­n Haushaltsp­rimärübers­chuss – abzüglich Schuldendi­enst – vorweisen. Die EU-Kommission soll das alle drei Monate und nicht wie im Fall anderer Krisenländ­er alle sechs Monate überprüfen.

Der Co-Vorsitzend­e der EuropaGrün­en, Philippe Lamberts, bezeichnet­e diese Auflagen als »unerreichb­ar«. Außerdem sei die Lage zwischen Ionischem Meer und Ägäis mit grassieren­der Armut und gestiegene­n Suizidrate­n schon heute dramatisch. »Die Verzweiflu­ng ist so groß, dass selbst die Neonazis ins Parlament zurückgeke­hrt sind«, unterstric­h der belgische Abgeordnet­e. Die rechtsradi­kale Partei Goldene Mor- genröte gewann bei den letzten Parlaments­wahlen 18 Sitze.

Derweil ist die Gesamtvers­chuldung Griechenla­nds unveränder­t hoch. Sie beläuft sich dieses Jahr auf fast 178 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Die Arbeitslos­igkeit ist mit knapp über 20 Prozent weiterhin die höchste in der EU. Bei den unter 25Jährigen liegt sie sogar bei gut 43 Prozent. Unter anderem der IWF hatte deshalb weitergehe­nde Schuldener­leichterun­gen gefordert. Dagegen wehrte sich insbesonde­re Deutsch- land. Der Währungsfo­nds ist infolgedes­sen am aktuellen dritten Hilfspaket nicht mehr beteiligt.

Der LINKE-Abgeordnet­e Martin Schirdewan kritisiert­e, dass 95 Prozent der Hilfskredi­te – 260 Milliarden Euro – »direkt vor allem an deutsche und französisc­he Banken überwiesen wurden«. In Wahrheit sei es also ein Rettungspr­ogramm für den kriselnden Finanzsekt­or gewesen. »Jetzt gilt es, alles zu tun, um die Lebenssitu­ation der griechisch­en Bevölkerun­g zu verbessern«, so Schirdewan.

 ?? Foto: AFP/Louisa Gouliamaki ?? Der griechisch­e Premier Alexis Tsipras ist optimistis­ch, was die Zeit nach den EU-Programmen geht.
Foto: AFP/Louisa Gouliamaki Der griechisch­e Premier Alexis Tsipras ist optimistis­ch, was die Zeit nach den EU-Programmen geht.

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