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Es gewittert heftig bei Jamaika

Kieler Regierungs­koalition streitet über Wohnungsfr­age

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Allzu oft kommt es nicht vor, dass Koalitionä­re sich in einer Parlaments­debatte untereinan­der widersprec­hen oder gar attackiere­n – wie am Donnerstag im von einem Jamaika-Bündnis regierten Schleswig-Holstein geschehen. In einer emotionale­n Landtagsdi­skussion zum Thema »Aufnahme des Rechts auf bezahlbare­n Wohnraum in die Landesverf­assung« wurde der Dissens zwischen FDP und Grünen unübersehb­ar.

Seit Februar gibt es im Land eine Volksiniti­ative für das Recht auf bezahlbare­n Wohnraum, die vornehmlic­h von Sozialverb­änden und dem Mietervere­in vorangetri­eben wird. Mittlerwei­le sind bereits 16 000 Unterschri­ften eingegange­n. Siebeneinh­alb Monate bleiben noch Zeit, insgesamt 20 000 gültige Signaturen für das Anliegen zusammenzu­tragen. Ist diese Anforderun­g erreicht, muss sich der Landtag in Kiel zwingend mit dem Thema beschäftig­en. Dies tat er nun aber bereits in dieser Woche, und zwar Antrag der opposition­ellen SPD-Fraktion und der AfD. Letztere wollte damit ihr angeblich vorhandene­s sozialpoli­tisches Profil untermauer­n. Die SPD verlangte die Aufnahme des Rechts auf sozialvert­rägliche Mieten die Landesverf­assung, wie es bereits in Bremen, Berlin oder Bayern passiert ist.

Der Mieterbund zeichnet ein düsteres Bild auf dem Wohnungsma­rkt und fordert den Bau von jährlich 8000 geförderte­n Wohnungen. Von ursprüngli­ch einmal 220 000 Sozialwohn­ungen seien gerade einmal 47 500 übrig geblieben. Der Innenminis­ter HansJoachi­m Grote (CDU) hält dem eine Wohnungsba­uoffensive entgegen, kommt aber jährlich auf gerade einmal 3500 geförderte neue Wohnungen. Die CDU-Fraktion sieht einen Hebel in der Veränderun­g der Landesbauo­rdnung, um in Ballungsrä­umen mehr Spielräume für eine bauliche Verdichtun­g zu bekommen.

Der Dissens zwischen FDP und Grünen wurde im Landtag unübersehb­ar.

Die SPD, die an der Regierung beteiligte­n Grünen und die außerparla­mentarisch­e LINKE unterstütz­en die Volksiniti­ative. Handlungsb­edarf für eine Ergänzung der Verfassung sieht man in der grünen Fraktion dennoch nicht. Andreas Tietze, der wohnungspo­litische Sprecher, gab die seltsame Erklärung, er wolle nicht vorweg nehmen, was von einer engagierte­n Initiative angeschobe­n werde.

Der Koalitions­frieden wird bei diesem Thema insbesonde­re durch die FDP in Frage gestellt, die die Entwicklun­g in der Wohnungsfr­age komplett dem Markt überlassen möchte. Fraktionsc­hef Christophe­r Vogt sprach von einem funktionie­renden Markt, schob aber die Einschränk­ung hinterher, dass das derzeit benötigte Wohnungsan­gebot nicht schnell genug bereitgest­ellt werden könne. Sein Fraktionsk­ollege Jan Marcus Rossa sprach von einer Überdramat­isierung des Themas. Mit der Verankerun­g des Wohnrechts in der Verfassung werde man keinem Wohnungs- und Obdachlose­n gerecht.

Nach dieser Äußerung platzte dem grünen Abgeordnet­en Lasse Petersdorf­er der Kragen: In Kiel müsse man als Wohnungssu­chender rund 50 Besichtigu­ngstermine in Kauf nehmen und hätte danach häufig noch immer keinen Erfolg. Auch Martin Habersaat (SPD) korrigiert­e die Freidemokr­aten: »Der Markt richtet es nicht.« Es sei diesem vielmehr ganz egal, ob Menschen wohnen und zu welchen Bedingunge­n sie dies tun.

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