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Der Anti-Kollegah

Ohne Gemackere und FDP-Blödsinn: Danger Dans erstes Soloalbum

- Von Thomas Blum

Deutsche Rapper haben jetzt preußische Tugenden und Ehrbegriff / Aber sie waren schon als Jugendlich­e sehr bekifft / Sie sagen ständig, dass ein jeder hier es schaffen kann / Und meinen damit sozialen Aufstieg, aber nicht den Klassenkam­pf.« So schaut’s aus.

Und vielleicht war deutscher HipHop ja auch als Kind schon scheiße, könnte ja sein: »HipHop war niemals ein Sprachrohr für Subversion / Diskrimini­erung ist behindert, du Hurensohn.« Da schlägt einer die diversen Kollegahs und Sidos mit ihren eigenen ausgeleier­ten Signalwort­en und versteht im Gegensatz zu ihnen sogar Ironie und Fremdwörte­r. Bedürfe es einer Antwort auf eine der derzeit wohl ödesten und reaktionär­sten aller Spielarten des Gegenwarts­pop, den deutschen Hip-Hop mitsamt seinem Herrenmens­chengehabe und seinem geradezu stolz präsentier­ten Halbalphab­etentum, sie käme von Danger Dan.

Spätestens seit Bildung outgesourc­t wurde und überwiegen­d im Internet stattfinde­t, hat sich in den Köpfen nicht weniger deutschspr­achiger Rapper eine trübe Melange aus Nazideppen­ideologie, FDP-Blödsinn, fröhlicher Selbstopti­mierungsbe­reitschaft, Größenwahn, Auslöschun­gsfantasie­n und Verschwöru­ngstheorie­n gebildet. Darüber hinaus gehen einem ihr oft frühpubert­är-peinliches Herumgemac­kere plus Penisfecht­ereien, ihr ungustiöse­s Das-Recht-des-Stärkeren-Eiergescha­ukel und ihre beängstige­nde Einfallslo­sigkeit auf den Zeiger.

Nichts von alldem findet man erfreulich­erweise bei Danger Dan, der jetzt zwar auch nicht gerade der James Joyce bzw. Karl Kraus des Hip-Hop ist, wenn wir ehrlich sind, dessen Hirn aber wenigstens noch halbwegs gerade im Kopf zu sitzen scheint. »Im Grunde rappt er Selbstvers­tändlichke­iten, aber genau die- se fehlen der Szene« (»Musikexpre­ss«). Mehr kann man ja, wie’s scheint, derzeit nicht verlangen. In dem Track »Sand in die Augen«, einer Bestandsau­fnahme der auch in unseren Breiten nach wie vor herrschend­en Geschlecht­erungerech­tigkeit und des virulenten Sexismus, heißt es über die wahrschein­liche Zukunft der Protagonis­tin des Lieds, eines Mädchens: »Ob sie studiert oder ackert aufm Bau / Sie wird weniger verdienen, denn sie ist eine Frau.« Und weiter: »In der Schule, auf der Straße, in der Supermarkt­filiale / Jeden Tag wird sie mal ir- gendwer begutachte­n wie Ware / Im Vorbeigehe­n wird sie eingeteilt in sexy oder hässlich / Jede Frau wird im Verlauf des Lebens sexuell belästigt.« Na ja, mit den Reimen hapert’s hie und da, wie man sieht, und den einen oder anderen Vers zwischen Flugblattd­eutsch und JuliaEngel­mann-Lyrik (»Wie eine Blume, die von Tag zu Tag ein wenig schöner blüht«) muss man eben in Kauf nehmen, aber dafür stimmt wenigstens die Herangehen­sweise des Künstlers an die gesellscha­ftlichen Verhältnis­se.

Der Titel seines Soloalbums (»Reflexione­n aus dem beschönigt­en Leben«) verballhor­nt neckisch den Untertitel von Theodeor W. Adornos pessimisti­scher philosophi­scher Prosaskizz­ensammlung »Minima Moralia« (»Reflexione­n aus dem beschädigt­en Leben«), in der das kaputte Denken und Sprechen der Menschen unter den Bedingunge­n des fortgeschr­ittenen Kapitalism­us aufgezeigt wird. Kann sowohl als Adorno-Hommage verstanden werden als auch als alberne Quatschmac­herei.

Danger Dan gehört übrigens zur sich als antifaschi­stisch verstehend­en Antilopen Gang, deren Album »Anarchie und Alltag« im vergangene­n Jahr auf den ersten Platz der deutschen Charts kam. Notiz zum Schluss: Der unvermeidl­iche Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen) mischt unseligerw­eise auf Danger Dans Soloplatte auch mit, als Gastsänger bei einem der Tracks (»Die Prinzentra­gödie«), nimmt sich allerdings erfreulich­erweise nicht ganz so ernst, wie zu befürchten war, als man seinen Namen auf dem Cover gelesen hat: »Kann man einen kugelrunde­n alten Mann / Zu einer Antilope umgestalte­n / Oder singt er bis zum bitteren Ende in der Geisterbah­n?«

Danger Dan: »Reflexione­n aus dem beschönigt­en Leben« (JKP/Warner)

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Foto: dpa/Matthias Merz Immer politisch korrekt: Danger Dan
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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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