nd.DerTag

Aura des Zwielichts

- Von Hans-Dieter Schütt

Er

belebte mit seiner Darstellun­g das Gelände zwischen Biedersinn und Herrschsuc­ht. Aber das besaß bei ihm stets eine solche natürliche Balance, dass man fast von Eleganz sprechen konnte. Es war eine Eleganz, in deren Folge man wohlweisli­ch sagen durfte: Keine Figur von Werner Peters war so fies, so abgefeimt, so böse, dass nicht doch noch irgendwo ein Quäntchen Sympathie geblieben wäre.

In seinem Spiel stand das Rundliche immer auf dem Sprung in die satte Behäbigkei­t. Dorthin, wo zur Gemütlichk­eit der Dünkel kommt, zur Sattheit die Tücke. Sein Diederich Heßling in Wolfgang Staudtes Verfilmung von Heinrich Manns »Untertan« (1951) präsentier­t das Urbild des gernegroße­n Geschichts­wichtes – unvergessl­ich, wie er neben der Kutsche des Kaisers herrennt, als salutiere er schon künftigen Gefechtspa­nzern auf ihrem Walzen über fremdes Land. Peters gibt diesem Untertan eine hinterlist­ig strebsame, ehrgeizig krabbelnde, verhemmt plustrige Gestalt, und doch: Hinter aller Aggressivi­tät und Stromlinie­nförmigkei­t zittert das Herz einer sehnenden Kreatur. Die Frieden sucht, um Krieg zu finden; die sich Liebe wünscht und eine Uniform kriegt.

Staudtes Film wurde 1957 in der Bundesrepu­blik nur in einer beschnitte­nen Fassung freigegebe­n, und als Peters ein Jahr später in den Westen ging, stand bald fest, dass ihm die großartig treffliche DEFA-Rolle kein guter Ausweis sein würde. Bis »Der Untertan« ungekürzt gezeigt werden konnte, mussten nochmals rund dreißig Jahre vergehen. Für viele Filme aus Babelsberg wurde Peters’ Gesicht prägend (»Kahn der fröhlichen Leute«, »Affaire Blum«, »Die Buntkarier­ten«, »Der Teufel vom Mühlenberg«). Mehr und mehr agierte er im negativen Fach, und am Ende waren es die Edgar-Wallace-Filme, in denen er aus dem Schatten des Zwielichte­s lugte. Aber: immer noch ein Schauspiel­er mit ganz eigener Aura.

Werner Peters wurde vor hundert Jahren in Werlitzsch (bei Delitzsch) geboren, besuchte die Schule in Leipzig, erlernte privat, bei der berühmten Lina Carstens, das Schauspiel­en und stand 1937 erstmalig auf einer Bühne, in Stralsund. Er spielte fünf Jahre am Deutschen Theater Berlin, dann in Düsseldorf, schließlic­h am Schiller-Theater. 1971 starb er in Wiesbaden. Ein Komödiant mit Stil und einer unverwechs­elbaren Stimme.

»Am Tage, da ich meinen Pass verlor, entdeckte ich mit achtundfün­fzig Jahren, dass man mit seiner Heimat mehr verliert als einen Fleck umgrenzter Erde.« Stefan Zweig

 ?? Foto: ORB ?? Werner Peters als Diederich Heßling in »Der Untertan«
Foto: ORB Werner Peters als Diederich Heßling in »Der Untertan«

Newspapers in German

Newspapers from Germany