Drama in vier Akten
Abseits! Die Feuilleton-WM-Kolumne
Computerspiele interessieren mich nicht. Folglich besteht mein »Let’s play« darin, mit anderen Menschen Fußball zu gucken. Das heißt, ich sehe Leuten zu, die Leuten beim Fußballspiel zusehen. Es gibt Langweiligeres. Selbst spielen zum Beispiel.
Fußballspiel ist intelligibel. Man kann begreifen, wie es funktioniert, und es in Daten auflösen. Das ist überhaupt nicht schwierig. Dennoch wird selten so viel Unsinn geredet wie während eines Spiels. Dass das möglich ist, ist die eigentliche Show. Der Fußballfan guckt nicht wie da Vinci auf seine Skizzen oder Luke Skywalker auf seine zwei Sonnen. Im Fußballschauen passieren mehrere gedankliche Akte, die, für sich unsinnig und einander disparat, das Verständnis behindern, zugleich aber erst Voraussetzung einer tieferen Beteiligung sind. Wie bei der Fiktion bedarf es hier der Bereitschaft, sich täuschen zu lassen, mit dem Unterschied, dass das Publikum von Film und Literatur sich der Täuschung bewusst ist.
Der erste Akt ist das Wir. Wenn ein Zuschauer von »seiner« Mannschaft redet, ist das bereits eine Aneignung. Das Wir übergeht diese Peinlichkeit durch eine größere. Vermöge der Identifikation mit dem Team, das der Fan nicht besitzen kann, hat er wenigstens an dessen Leistung oder Tragödie Anteil. Rasen und Wohnzimmer konvergieren auf groteske Weise: Athletik mit Phlegma, Konzentration mit Suff.