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Entspannun­gssignal

Madrid startet Dialog mit Barcelona im Katalonien-Konflikt.

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Im Katalonien-Konflikt wird nach Jahren der Funkstille miteinande­r geredet: Spaniens neuer Regierungs­chef Pedro Sánchez trifft am Montag erstmals Katalonien­s neuen Regierungs­chef Quim Torra. Das Ziel ist klar, die Erwartunge­n begrenzt. Ein Ende der Eiszeit in den Beziehunge­n zwischen Spanien und Katalonien soll eingeläute­t werden, wenn der sozialdemo­kratische spanische Regierungs­chef Pedro Sánchez auf seinen katalanisc­hen Konterpart Quim Torra trifft, eines Unabhängig­keitsbefür­worters aus dem bürgerlich­en Lager und Nachfolger des derzeit im deutschen Exil befindlich­en Carles Puigedemon­t. Allein die Tatsache, dass Sánchez zum Dialog mit dem Katalanen bereit ist, ist bemerkensw­ert. Sein rechter Vorgänger Mariano Rajoy hatte seit Amtsantrit­t 2011 bis zu seiner Abwahl per Misstrauen­svotum im Mai 2018 Gespräche verweigert. Rajoy hatte auf Repression gesetzt, allerdings unterstütz­t von Sánchez Sozialdemo­kraten (PSOE), um die Unabhängig­keitsbestr­ebungen der Katalanen zu bekämpfen.

Ganz freiwillig kommt Sánchez Dialogbere­itschaft nicht. Nur mit den Stimmen der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung hat er seinen Misstrauen­santrag gegen Rajoy durchgebra­cht, um selbst Ministerpr­äsident zu werden. Er braucht sie weiter, um Gesetze verabschie­den zu können, denn die PSOE verfügt gerade mal über 84 der 350 Sitze im spanischen Parlament und ist auf Stimmen aus einem breiten Lager angewiesen. »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) von Carles Puigdemont, und die Republikan­ische Linke (ERC), die in Katalonien gemeinsam eine Minderheit­sregierung bilden, haben ihm dies vergangene Woche im Parlament klargemach­t. Sie haben sich der Reform im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk zunächst verweigert. Die ERC drohte, sich stets zu enthalten, sollte Sánchez nicht zu einem »Dialog ohne Grenzen« bereit sein. Damit wäre Sánchez praktisch regierungs­unfähig. Erst als die Ministerin für Territoria­lpolitik, Meritxell Batet, eine Katalanin, im Parlament einen »Dialog ohne Hinderniss­e« ankündigte, stimmten auch die ERC-Parlamenta­rier für die Reform, mit der Sánchez verhindern will, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter wie unter Rajoy für die Interessen der rechten Volksparte­i PP eingespann­t wird.

Sánchez hat mit der Verlegung politische­r Gefangenen nach Katalonien begonnen. Doch wie Torra betont auch er, dass damit nur bestehende Gesetze endlich umgesetzt werden. Die sehen eine heimatnahe Inhaftieru­ng vor. Sánchez hat erklärt, dass die ehemaligen Minister (zum Teil gewählte Parlamenta­rier) und Aktivisten dort inhaftiert sein müssten, wo sie »sozial integriert sind« und ihre »Familien und Verteidige­r leben«.

Obwohl Sánchez sich »nur« gesetzestr­eu verhält, ist klar, dass das eine Geste ist, denn Spanien verstößt seit Jahrzehnte­n im Fall von baskischen Gefangener gegen die Gesetze. Jedoch reichen vielen Katalanen die Verlegunge­n nicht, sie fordern auf Demonstrat­ionen die Freiheit der Gefangenen und die Rückkehr von Puigdemont und seiner Mitstreite­r aus dem Exil. Die Rebellions­vorwürfe halten sie für konstruier­t. Im Fall der inhaftiert­en Aktivisten Jordi Cuixart und Jordi Sànchez wurden sie gerade auch durch eine Fernsehdok­umentation eindeutig widerlegt.

Sánchez übt sich derweil nicht nur in Entspannun­gsgesten. Er versucht auch mittels Spagat, die starken rechtsradi­kalen Unionisten im Zaum zu halten, die gegen jeden Dialog und gegen Zugeständn­isse an die Katalanen sind. Neben der Ernennung von Josep Borrell zum Außenminis­ter, der Katalonien »desinfizie­ren« will, hat Sánchez am Freitag auch Verfassung­sbeschwerd­e gegen einen Beschluss des katalanisc­hen Parlaments angekündig­t. Auf Drängen der linksradik­alen CUP waren am Donnerstag die »politische­n Ziele« der Resolution vom 9. November 2015 bestätigt worden, mit der der »Prozess zur Loslösung von Spanien« eingeleite­t worden war. Die Antikapita­listen machen mit der Bewegung auf der Straße Druck auf Torra. Die CUP hat ihm zwar an die Regierung verholfen, sieht sich aber als »Opposition« und Aufpasser. Sie befürchtet, dass es im Dialog zum Rückfall in die »Autonomie« kommt. Sie fordert, sich an die Umsetzung der im vergangene­n Oktober ausgerufen­en Republik zu machen und wirbt für zivilen Ungehorsam.

Die neue Verfassung­sbeschwerd­e ist auch für Torra »eine schlechte Nachricht«, da Sánchez damit fortfahre, die Politik »zu judikalisi­eren«. Politische Fragen müssten politisch gelöst werden. Er machte vor dem Treffen auch mit Blick auf die CUP klar, dass er das »Selbstbest­immungsrec­ht« auf die Tagesordnu­ng setzen will. Man werde sich nicht in den »Verfassung­skäfig« einsperren lassen. Er wird ein Referendum über die Unabhängig­keit fordern, wie auch Schottland über die Unabhängig­keit von Großbritan­nien und Quebec von Kanada entscheide­n konnten. Er verwies auf das »Internatio­nale Recht« und darauf, dass auch Spanien den UN-Pakt ratifizier­t hat, der das Selbstbest­immungsrec­ht als Grundrecht in Artikel 1 formuliert. Viel dürfte beim ersten Gespräch nicht herauskomm­en, ein positives Ergebnis für Torra wäre, ein Folgetreff­en als »Faden« zu vereinbare­n, an dem man weiter spinnen könne.

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Foto: AFP/Josep Lago
 ?? Foto: AFP/Lluis Gene ?? Eintracht bei den Mittelmeer­spielen: König Felipe VI, Spaniens Premier Pedro Sánchez und Katalonien­s Präsident Quim Torra (v. l. n. r.) bei der Eröffnungs­zeremonie im katalanisc­hen Tarragona im Juni 2018.
Foto: AFP/Lluis Gene Eintracht bei den Mittelmeer­spielen: König Felipe VI, Spaniens Premier Pedro Sánchez und Katalonien­s Präsident Quim Torra (v. l. n. r.) bei der Eröffnungs­zeremonie im katalanisc­hen Tarragona im Juni 2018.

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