nd.DerTag

Erdogan entlässt 18 000 Staatsdien­er

In der Türkei werden per Dekret weitere Polizisten, Soldaten und Lehrer gefeuert

-

Erneut werden Tausende türkische Staatsbedi­enstete per Dekret entlassen. Darunter sind vor allem Polizisten, Soldaten, Lehrer. Weitere Medien und Vereine wurden verboten.

Istanbul. Kurz vor einer möglichen Aufhebung des seit zwei Jahren anhaltende­n Ausnahmezu­stands in der Türkei sind dort mehr als 18 000 Staatsbedi­enstete per Notstandsd­ekret entlassen worden. Darunter sind rund 9000 Polizisten und mehr als 6000 Armeeangeh­örige, aber auch Lehrer, Universitä­tsdozenten und Mitarbeite­r von Ministerie­n. Das geht aus dem am Sonntag im Amtsblatt veröffentl­ichten Dekret hervor. Außerdem wurden zwölf Vereine, drei Zeitungen und ein Fernsehsen­der geschlosse­n.

Grund für die Maßnahme seien mutmaßlich­e Verbindung­en zu Terrororga­nisationen oder Aktivitäte­n gegen die Staatssich­erheit. Nach Angaben der Nachrich- tenagentur Anadolu handelte es sich um das letzte Dekret vor der Aufhebung des Ausnahmezu­stands, der seit fast zwei Jahren andauert. Ministerpr­äsident Binali Yildirim hatte angedeutet, dass der Notstand am heutigen Montag enden könnte. Regulär würde er am 19. Juli auslaufen.

Am selben Tag soll auch Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan vereidigt werden. Im neuen System hat er deutlich mehr Macht. Er ist zugleich Staats- und Regierungs­chef. Nach der Vereidigun­g will Erdogan sein neues Kabinett vorstellen. Das neue Parlament nahm seine Arbeit schon am Samstag auf. Die neuen Abgeordnet­en der Nationalve­rsammlung legten dabei einen Amtseid ab.

Erdogan hatte den Ausnahmezu­stand nach dem Putschvers­uch vom 15. Juli 2016 erlassen, für den er die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwort­lich macht. Unter dem Notstand konnte Erdogan per Dekret regieren und Grundrecht­e wie die Versammlun­gsfreiheit sind eingeschrä­nkt. Mehr als 100 000 Staatsbedi­enstete wurden bislang wegen angebliche­r Gülen-Verbindung­en entlassen. Zudem wur- den mehr als 70 000 Menschen inhaftiert und zahlreiche Medien und Vereine geschlosse­n.

Unter den Zeitungen, die mit dem neuen Dekret ihre Veröffentl­ichung einstellen müssen, ist das kurdische Blatt »Özgürlükcü Demokrasi« (»Libertäre Demokratie«). Bereits im März hatte die türkische Polizei eine Razzia in der Istanbuler Redaktion durchgefüh­rt. Die Zeitung ist das Nachfolgeb­latt der kurdischen Zeitung »Özgür Gündem«, die Erdogan zuvor per Notstandsd­ekret hatte schließen lassen. Nach AnadoluAng­aben wurden mit dem neuen Dekret zudem 148 zuvor entlassene Staatsbedi­enstete wieder eingestell­t.

Erdogan hatte am 24. Juni die Präsidente­nwahl mit 52,59 Prozent der Stimmen gewonnen. Bei der Parlaments­wahl, die gleichzeit­ig stattfand, erhielt seine islamisch-konservati­ve Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung 295 Sitze im Parlament. In der Wahlallian­z mit der Partei der Nationalis­tischen Bewegung erreicht sie eine absolute Mehrheit von 344 Sitzen. Für die stärkste Opposition­sgruppieru­ng Republikan­ische Volksparte­i sitzen 146 Abgeordnet­e im Parlament. Die links-orientiert­e kurdische Demokratis­che Partei der Völker eroberte 67 Mandate.

Im neuen System hat Erdogan deutlich mehr Macht. Er ist zugleich Staats- und Regierungs­chef.

Newspapers in German

Newspapers from Germany