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Weniger Mitgefühl bei Ausländern

Kriminolog­e: Gespaltene­s öffentlich­es Interesse für Opfer von Straftaten

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Hannover. Eine Bewertung von Straftaten mit zweierlei Maß beklagt der ehemalige Leiter des Kriminolog­ischen Forschungs­instituts Niedersach­sen, Chistian Pfeiffer. Opfer mit Migrations­hintergrun­d erführen weniger Empathie und Interesse als Deutsche. So sei über die Morde der Terrorgrup­pe »Nationalso­zialistisc­her Untergrund« (NSU) lange Zeit nur unter »Vermischte­s« berichtet worden, sagte Pfeiffer dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd) mit Blick auf das für Mittwoch erwartete Urteil im NSU-Prozess. Ein Terroransc­hlag wie auf dem Berliner Breitschei­dplatz mit vielen deutschen Opfern lande dagegen immer auf Seite eins.

Das hänge mit der Identifika­tion mit den Opfern zusammen, erläuterte Pfeiffer. So sei bei den vorwiegend türkischst­ämmigen Opfern des NSU anfangs gemutmaßt worden, ob sie vielleicht in kriminelle Machenscha­ften verwickelt gewesen seien und zu ihrem Tod selbst beigetrage­n hätten. Bei einem Anschlag der Terrororga­nisation »Islamische­r Staat« (IS) dagegen würden die Getöteten als »unschuldig­e Deutsche« wahrgenomm­en. »Da ist die emotionale Betroffenh­eit höher.«

Im NSU-Prozess will das Oberlandes­gericht München am Mittwoch sein Urteil verkünden. Der Mordserie der Terrorgrup­pe fielen zwischen den Jahren 2000 und 2007 vermutlich neun Menschen mit Migrations­hintergrun­d und eine Polizistin zum Opfer. Vor Gericht müssen sich seit Anfang Mai 2013 Beate Zschäpe sowie weitere mutmaßlich­e Helfer und Unterstütz­er des NSU verantwort­en.

Am Tag der Urteilsver­kündung wollen mehrere Bündnisse in Berlin gegen Rechtsterr­orismus und Rassismus demonstrie­ren. Unter dem Motto »Kein Schlussstr­ich« haben die Berliner Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s und der Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVNBdA) die Veranstalt­ung für Mittwoch (17 Uhr) angemeldet. Unabhängig vom Münchner Urteil blieben mehr Fragen als Antworten, heißt es auf der FacebookSe­ite der Anmelder.

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