Wider den Weg in einen Obrigkeitsstaat
Tausende Menschen demonstrieren gegen das geplante nordrhein-westfälische Polizeigesetz – Attac-Aktivistin Sabine Lassauer hat den Protest in Düsseldorf mitorganisiert
In München blieben die Proteste weitgehend folgenlos. Das neue bayerische Polizeigesetz wurde trotzdem verabschiedet. In NRW dagegen zeigt die massive Kritik an der geplanten Neuregelung Wirkung. Samstagmittag in Düsseldorf. Gut 200 Meter vom Startpunkt der großen Demonstration gegen das neue nordrhein-westfälische Polizeigesetz trifft sich das Presseteam des Demobündnisses. Eine, die dabei ist, ist Sabine Lassauer. Die 26-Jährige lebt in Köln, ist bei Attac aktiv und organisiert ihre erste Großdemonstration. Zusammen mit den anderen Sprechern des Anti-PolizeigesetzBündnisses steht sie am Lautsprecherwagen, es muss vieles koordiniert werden: Wer geht wohin, wer spricht mit welchem Journalisten? Es ist eng, laut und wahnsinnig heiß, Reden werden gehalten.
Zwei Aktivisten aus Bayern berichten über befürchtete Auswirkungen des neuen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), das aller Proteste zum Trotz verabschiedet wurde. Ein zentraler Kritikpunkt ist die Absenkung der Eingriffsschwelle für die Polizei. So sei im Vorfeld des AfD-Parteitages in Augsburg eine Person für mehre Tage in Sicherheitsgewahrsam genommen worden und eine weitere Antifaschistin habe ein Stadtverbot erhalten. Die bayerischen No-PAG-Aktivisten haben bei Sabine Lassauer übernachtet. Sie findet es wichtig, sich mit Menschen aus anderen Bundesländern zu vernetzen. »Es geht nicht um Bayern oder NRW, sondern um eine generelle Tendenz hin zum Überwachungsstaat.« Lassauer führt aus, dass noch weitere Bundesländer ihre Po- lizeigesetze verschärfen und das Bundesinnenministerium an einem Mustergesetz arbeitet, das für alle Bundesländer gelten soll.
Als Jugendliche hat sich Lassauer für Naturschutz engagiert: »Ich habe Kröten gesammelt und Unterschriften gegen das Aussterben der Nebelparder gesammelt.« Später hat sie zwei, drei Jahre Pause gemacht, viel gelesen und sich dann für die Attac- Gruppe an der Uni Köln entschieden. »Ich finde so einen breiten Fokus gut, und dass bei der Ökonomie angesetzt wird, weil das Wirtschaftssystem für viele Missstände in der Welt verantwortlich ist.« Seit einem Jahr ist Sabine Lassauer im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac. Ein Zufall ist es nicht, dass sie die Großdemonstration gegen das Polizeigesetz mitorganisiert. Beim G20-Gipfel im letzten Jahr wurde sie Opfer eines Polizeiübergriffs. Auf dem Weg zu einer Blockade wurde ihre Gruppe von der Polizei angegriffen. Sie erlitt eine Platzwunde und musste im Krankenhaus behandelt werden. Mittlerweile klagt sie gegen den Einsatz. Die Polizei hatte die Demonstranten weder angesprochen noch aufgefordert, die Gruppe aufzulösen.
Bei dem Einsatz habe sie gemerkt, dass »Teile der Polizei sich nicht ihrer Rolle entsprechend verhalten. Mit dem Grundvertrauen ins System hat das was gemacht.« Die Polizei müsse ein neutraler Akteur sein, der als Träger des Gewaltmonopols mit Gesetzen »eingehegt« und kontrolliert wird. »Daran möchte ich die Politik erinnern!«, erklärt Lassauer. Das neue NRW-Polizeigesetz lehnt sie ab. Besonders den neuen Gefährder-Begriff sieht sie kritisch. Ein »präventiver Freiheitsentzug« erinnere sie an »totalitäre Staaten« und kennzeichne den Weg in einen »Obrigkeitsstaat«.
Als die Demonstration an der Düsseldorfer Königsallee angekommen ist, stoppt Sabine Lassauer und schaut sich den riesigen Demonstrationszug an. Mehr als eine Stunde dauert es, bis der ganze Demozug an ihr vorbeigezogen ist.
Es ist ein sehr breites Bündnis, das an diesem Nachmittag demonstriert: von Antifa-Gruppen über Grüne, LIN- KE, Jusos und Attac-Mitgliedern bis hin zu Daten- und Umweltschützern. Mit dabei sind Fußballfanclubs und der Deutsche Hanfverband. Zähler des Bündnisses verkünden irgendwann 20 000 Teilnehmer. Sabine Lassauer strahlt. »Ich bin total überwältigt, nie hätte ich mit einer so hohen Anzahl gerechnet.«
Anders als die Proteste in Bayern zeigt der Widerstand in NordrheinWestfalen Wirkung: Nach massiver Kritik von Juristen und Datenschützern hatte Innenminister Herbert Reul (CDU) die Verabschiedung des Sicherheitspakets mit den bisher schärfsten Anti-Terrormaßnahmen für NRW gestoppt und Korrekturen in Aussicht gestellt. Ursprünglich sollte das Polizeigesetz in der kommenden Woche vom Landtag verabschiedet werden.
Am Nachmittag, nach zwei Reden, die sie gehalten hat, angekommen auf der Landtagswiese, ist Demo-Organisatorin Sabine Lassauer zufrieden: »Es war durchgehend entspannt, die Leute hatten Spaß, das war super.« Ihre Mutter war extra aus Franken angereist, mit ihr wird sie im Anschluss noch Essen gehen. Abends dann wird mit Menschen aus dem Bündnis gefeiert. »Den Erfolg von heute werde ich wohl erst in ein paar Tagen so richtig realisieren«, glaubt die Attac-Frau.