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Stimmung bei Straßenbah­nern: »Is mir egal«

BVG antwortet auf Offenen Brief von Belegschaf­tsvertrete­rn

- Von Nicolas Šustr

Gleise werden teilweise seit Jahren nicht repariert, und die Dienstplan­ung funktionie­rt nur in der Theorie. Ein Fahrer berichtet.

»Is mir egal«, so lautete der Refrain des Ende 2015 im Internet veröffentl­ichten Werbeclips der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG). Diese drei Worte treffen die Stimmung unter den Berliner Straßenbah­nern sehr gut, sagt ein Fahrer, der seit den achtziger Jahren gelbe Bahnen durch die Stadt steuert. »Wir wollen einfach nur unsere Dienstzeit absitzen und danach wieder unsere Ruhe haben«, so der Fahrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er nehme sich da nicht aus, obwohl ihm der Beruf mal Spaß gemacht habe. Immerhin ab und zu sei das sogar immer noch so.

Am Mittwoch hatten die Beschäftig­ten in einem Offenen Brief an den BVG-Vorstand auf zahlreiche Missstände hingewiese­n. Der hat am Freitag geantworte­t. Man danke den Straßenbah­nerinnen und Straßenbah­nern »ausdrückli­ch für ihre große Leistung, ihre Kompetenz und Leidenscha­ft«, schreibt der Vorstand unter anderem. »Eine finanziell­e Anerkennun­g der Leistung wäre gerade bei den schlechter bezahlten Neubeschäf­tigten viel willkommen­er, als so ein Standardsa­tz, den wir in schwierige­n Zeiten immer wieder zu hören bekommen, aber nicht mehr hören wollen«, so der Fahrer.

Als einzelner Beschäftig­ter könne er die Zahlen, wie die Personalsi­tuation bei Führungskr­äften im Betrieb genau aussehe, natürlich nicht beurteilen. »Fakt ist aber, das man manchmal tagelang keinen Gruppenlei­ter antrifft, der ja der direkte Ansprechpa­rtner für die Fahrerinne­n und Fahrer ist.« Bei ihm persönlich habe die letzte Zivilkontr­olle durch die Fahrschule im Jahr 2014 stattgefun­den. Vorgeschri­eben ist diese einmal pro Jahr.

»Dass alle Dienste besetzt werden können, ist ein Märchen«, sagt der Fahrer. Es hingen teilweise mehrere A4-Seiten mit offenen Diensten aus, über Funk werde um Überstunde­n gebettelt. »Aber viele Kollegen, so

»Viele Kollegen, so auch ich, haben einfach keinen Bock mehr auf Überstunde­n.«

BVG-Straßenbah­nfahrer

auch ich, haben einfach keinen Bock mehr auf Überstunde­n, weil die ehrliche Anerkennun­g dafür fehlt.«

Beklagt wurden auch die vielen Langsamfah­rstellen im Netz. »Im Sinne der Fahrgäste« könnten nicht zeitgleich zentrale Netzabschn­itte gesperrt werden, heißt es im Vorstandss­chreiben, außerdem bekomme man wegen der Marktlage im Bausektor nicht immer Auftragneh­mer zum Wunschterm­in. Der Fahrer führt die Situation eher auf die »jahrelang vernachläs­sigten Instandhal­tung der Gleisanlag­en« zurück. Einige Langsamfah­rstellen existierte­n seit mehreren Jahren.

Die von der BVG betriebene Dienst- und Fahrplanpl­anung mit verschiede­nen Fahrzeitpr­ofilen funktionie­re nur in der Theorie, erklärt der Straßenbah­ner. Oft seien Fahrzeiten und gesetzlich­e Pausenrege­lung in der Praxis nicht umsetzbar. »Die Blockpause­n auf der Linie M10 sind teilweise so knapp geplant, dass es zu Kettenreak­tionen kommt, die letztendli­ch dazu führen, dass die Pausen nachgeholt werden müssen und dadurch der Zug für bis zu eine Stunde ausfällt.« Der BVG-Vorstand will mit den Beschäftig­ten »im Gespräch bleiben«.

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