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Vorreiter für Cottbus’ Sicherheit­szentrum

Brandenbur­g/Havel hat bereits 2009 Polizei und Ordnungsam­t in einem Gebäude zusammenge­legt

- Von Janne Kieselbach

Polizei und Ordnungsdi­enst unter einem Dach: Was in Cottbus bald Realität werden soll, praktizier­t die Stadt Brandenbur­g schon seit Jahren. Doch vor Ort wird klar: Die Erfahrunge­n sind durchwachs­en.

Brandenbur­g/Havel. Plötzlich war alles pitschnass. An den Wänden bildeten sich feuchte Flecken. Ausgerechn­et am Freitagabe­nd, am ersten Abend des Havelfeste­s. »Im Stockwerk über uns hat jemand Damenbinde­n in die Toilette geworfen«, sagt Florian Pletz und schaut in den kahlen Raum. »Die ganze Technik war kaputt.« Trostlos und leer sieht es aus. Ein altes Wahlplakat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht auf dem Boden in einer Ecke, ein Getränkeka­sten in der anderen. Eine Mischung aus Muff und Kaffeegeru­ch zieht durch den langen Flur des Sicherheit­szentrums in Brandenbur­g an der Havel.

Florian Pletz leitet das Zentrum. Seit 2007 arbeitet der 32-Jährige beim Ordnungsam­t der Stadt und war bereits Führungskr­aft, als das Sicherheit­szentrum im Jahr 2009 gegründet wurde. Die Idee: Unter einem gemeinsame­n Dach bieten Ordnungs- amt und Polizei den Bürgern ihre Dienste an.

Andere Städte beobachten das Projekt interessie­rt. Erst Anfang Juni entschied die Stadt Cottbus zusammen mit dem Innenminis­terium, ebenfalls ein solches Sicherheit­szentrum einzuricht­en. Hintergrun­d der Entscheidu­ng waren unter anderem gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen Einheimisc­hen und Ausländern, die es zum Jahresbegi­nn in Brandenbur­gs zweitgrößt­er Stadt gegeben hatte. Das Cottbusser Zentrum soll noch in diesem Jahr eröffnet werden.

Auch in Brandenbur­g/Havel war die Euphorie für das Projekt anfangs groß, erzählt Pletz. Als sich in der Stadt vor neun Jahren Probleme mit Jugendgrup­pen häuften, wollte die Politik nicht untätig bleiben. Ein Zeichen musste gesetzt werden, das Sicherheit­szentrum entstand. In den ersten Jahren, sagt Pletz, gingen Polizisten und Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts täglich gemeinsam auf Streife. Sie zeigten Präsenz, im Zentrum wie auf der Straße. Das kam gut an.

Bis heute werden die Mitarbeite­r der Anlaufstel­le mit Bürgeranfr­agen und Beschwerde­n überhäuft: Falschpark­er, zu laute Nachbarn, zu stark qualmendes Feuer. »Manchmal sagen unsere Praktikant­en, die Anliegen der Bürger seien belanglos«, erzählt Pletz. Aber die Mitarbeite­r nehmen alle Sorgen ernst: Über 3500 Anrufe, 850 persönlich vorgetrage­ne Anliegen und 280 E-Mails hat das Team allein im vergangene­n Jahr bearbeitet.

Doch während die Nachfrage der Bürger ungebroche­n ist, spüren Pletz und seine Kollegen deutlich, dass die Unterstütz­ung der Politik schwindet. »Vor drei bis vier Jahren waren wir hier zahlreiche­r vertreten«, sagt Polizeihau­ptmeister Frank Richter und dreht sich auf seinem Stuhl von einer Seite zur anderen. Der 54-Jährige bietet jeden Dienstag mit zwei Beamten eine Polizeispr­echstunde im Sicherheit­szentrum an. An den übrigen Wochentage­n ist gar keine Polizei mehr im Zentrum vertreten.

Auch die gemeinsame­n Streifen von Ordnungsam­t und Polizei gehörten zwischendu­rch schon der Vergangenh­eit an. Als die landesweit­e Polizeistr­ukturrefor­m im Jahr 2011 begann, wurden die Kontrollgä­nge für lange Zeit gestrichen. Erst seit Mai dieses Jahres finden wieder gemeinsame Streifen statt – allerdings nicht mehr täglich, sondern nur noch einmal pro Woche, freitagabe­nds. Wieder waren es Probleme mit Jugendgrup­pen, die das Handeln veranlasst­en.

Dass ein starkes Sicherheit­szentrum gut für die Stadt wäre, darüber sind sich die Mitarbeite­r einig. »Als wir gar keine gemeinsame­n Streifen gemacht haben, da hat etwas gefehlt«, erinnert sich Pletz. Und das Konzept gemeinsame­r Ansprechpa­rtner im Sicherheit­szentrum habe sich bewährt. Bürgeranfr­agen könne man direkt weiterleit­en. »Wir sind so ein richtiges Bürgertele­fon geworden«, sagt Pletz.

Auch Polizeihau­ptmeister Richter sieht die Vorteile. »Wir tauschen uns mit den Kollegen aus und haben auch Wissensdur­st«, berichtet er. Die Hinweise vom Außendiens­t des Ordnungsam­tes seien für die Polizei oft hilfreich. Außerdem steige das Sicherheit­sgefühl der Bürger, wenn die Polizei präsent sei. »Schon ein Polizeiaut­o vor der Tür macht Eindruck«, sagt Richter.

Ob sich das Modell des Sicherheit­szentrums auch auf andere Städte übertragen lässt, darüber ist sich Pletz allerdings unsicher. »Unsere Stadt ist überschaub­ar, und unser Sicherheit­szentrum liegt sehr zentral in der Innenstadt«, sagt er. In größeren Städten gehe das Konzept möglicherw­eise nicht auf.

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