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Jetzt auch mit Muskelpake­ten

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Die Männer aus den Anden bestimmen die Tour nun auch im kletterfre­ien Terrain. Fernando Gaviria holte sich Sprintsieg und gelbes Trikot – und überrascht­e damit offenbar auch die Fangemeind­e. Denn als er gewann, waren die aus früheren Jahren bekannten Strohhut- und Trommelabt­eilungen nur sehr vereinzelt wahrzunehm­en.

Entweder waren Kolumbiens Fans noch damit beschäftig­t, nach dem WM-Aus gegen England ihre blonden Dreadlock-Perücken im Stile (des jungen) Carlos Valderrama wieder einzumotte­n. Oder sie hatten sich einfach verplant, und ihre Europareis­en mit den Bergetappe­n der Tour koordinier­t.

Bei Fernando Gavirias spektakulä­rem Debütsieg – erste Tourteilna­hme, erste Etappe, erster Sieg, erstes gelbes Trikot – wurden jedenfalls nur wenige kolumbiani­sche Fahnen geschwenkt. Nur zwei, drei Trommelstä­be wirbelten durch die Luft. Kein Vergleich mit der Ekstase, mit der Stars wie Nairo Quintana oder Rigoberto Uran sonst empfangen wurden.

Der neue Frontmann Gaviria ist ein Typ, an den sich selbst die eigene Fanszene noch gewöhnen muss. Denn er ist nicht klein, er ist auch kein Kletterer, sondern hat solche Muskelpake­te an den Beinen, die ihn Tom Mustroph, Radsportau­tor und Dopingexpe­rte, berichtet zum 17. Mal für »nd« von der Tour de France. auf der leicht ansteigend­en Zielgerade von Fontenay-Le-Compte aus dem Pulk aller Kontrahent­en deutlich herausschi­eßen ließen. Gaviria hatte sogar die Zeit, sich umzublicke­n, ob nicht an der Seite doch noch ein Schatten auftaucht.

Es tauchte keiner auf. Und der 23jährige Bursche aus der Küstenprov­inz Antioquia konnte seinen bislang größten Triumph feiern. »Viele Kolumbiane­r haben es versucht, ins gelbe Trikot zu kommen. Mir ist es jetzt geglückt. Das macht mich sehr froh«, sagte er – und vergaß im Überschwan­g seiner Freude, dass er gar nicht der allererste Kolumbiane­r im gelben Leibchen war. 2003 holte sich Víctor Hugo Peña dank des Siegs im Teamzeitfa­hren der damaligen Armstrong-Truppe US Postal kurz die Gesamtführ­ung. Aber gut, es war eine andere Epoche, tief vom Doping befleckt, und Peña hatte den Erfolg auch mehr dem Kollektiv als seiner Einzelleis­tung zu verdanken – ver- zeihlich also, dass Gaviria das nicht geläufig war.

Sein Sieg allerdings dürfte für einen Zuwachs der gelb-blau-roten Fahnen am Rande der Tourstreck­e sorgen. Auf ungefähr 100 000 wird die Anzahl der in Frankreich lebenden Kolumbiane­r geschätzt, die zweitstärk­ste Gruppe aus Latein-

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