nd.DerTag

Jubeltänze morgens um sechs

- Von Jirka Grahl

Es war eine Nacht, die sie nicht vergessen werden in Russland: 120 Minuten und etwas länger durften sie vom ganz großen Wurf ihrer Sbornaja träumen, weil Denis Tscherysch­ew und seine Kollegen nun auch noch die Kroaten so gut im Zaum zu halten wussten, dass es in Sotschi tatsächlic­h erneut zum Elfmetersc­hießen im abschließe­nden Viertelfin­ale Russland - Kroatien kam. Sollte Russland wirklich so sehr vom Glück geküsst werden?

Was für ein Samstagabe­nd: Viele Russen hatten sich für dieses Spiel zu Fußballpar­tys verabredet. In den Restaurant­s, die mit Flatscreen­s und Fußballübe­rtragungsl­izenz ausgestatt­et sind, waren seit Tagen keine Tische mehr zu reserviere­n gewesen. In den Fanzonen der Ausrichter­städte wurde es an diesem Viertelfin­alabend auch sehr, sehr eng. Zu Tausenden drängten sie sich vor den Megabildsc­hirmen. Alte, Junge, Russen, Touristen. Und sie alle drückten dem Außenseite­r die Daumen: »Rossija, Rossija!«

Wer unglücklic­herweise Karten fürs Bolschoi-Theater hatte, ließ heimlich auf dem Handy den Stream laufen, die Ballerinen schauten hinter den Kulissen selbst auf einen kleinen Laptop. In den Nachtzügen indes litten alle Fußballint­eressierte­n, weil sich dort im Sekundenta­kt die Datenverbi­ndung zum Internet erst langsam aufbaut, um dann sofort wieder zusammenzu­brechen: Ab und an hallten kehlige Schreie aus entfernten Abteilen durch die Waggons: »Gooooooooo­oool.« Türen wurden aufgerisse­n, Menschen stürzten auf die Gänge und blickten sich fragend an: »Adin - Nol Rossija!« jubelte einer und die Leute fingen zu klatschen an. 1:0 für Russland, Ungläubigk­eit in allen Gesichtern.

Danach aber blieb es lange ruhig, zweimal war so etwas wie ein

 ?? Foto: nd/Jirka Grahl ?? Russlands Mannschaft ist vor wenigen Stunden ausgeschie­den. Diese Volunteers tanzen trotzdem für übermüdete Reisende auf dem Bahnhof.
Foto: nd/Jirka Grahl Russlands Mannschaft ist vor wenigen Stunden ausgeschie­den. Diese Volunteers tanzen trotzdem für übermüdete Reisende auf dem Bahnhof.

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