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G20-Akkreditie­rungsentzu­g: Behörde vernichtet Unterlagen

Bundespres­seamt löscht Großteil der Akten / LINKE: Hintergrun­d des Angriffs auf Pressefrei­heit soll anscheinen­d verschleie­rt werden

- Von Sebastian Bähr

Während des G20-Gipfels setzte die Bundesregi­erung 32 Journalist­en auf eine »schwarze Liste«. Die meisten Dokumente über den Vorfall wurden nun gelöscht.

Nicht nur für viele Medienscha­ffende war es eine Überraschu­ng: Das Bundeskrim­inalamt hatte während des G20-Gipfels im vergangene­n Sommer 32 Journalist­en wegen angebliche­r »Sicherheit­sbedenken« auf eine »schwarze Liste« setzen lassen. Beim Betreten des Tagungsort­es sollte ihnen ihre bereits erteilte Akkreditie­rung wieder entzogen werden, Polizisten trugen offen einseh- bare Listen mit ihren Namen. Neun Medienscha­ffende mussten ihre Akkreditie­rungen dann tatsächlic­h abgeben, der Rest erfuhr erst später von der Maßnahme. Auch zwei nd-Journalist­en waren betroffen.

Bereits damals übten Datenschüt­zer und Journalist­enverbände scharfe Kritik an dem Akkreditie­rungsentzu­g und den zugrundeli­egenden Datenbanke­inträgen der Sicherheit­sbehörden. Wie sich später herausstel­lte, waren die Informatio­nen, die zur Erstellung der Liste geführt hatten, zum Teil schlicht falsch, veraltet oder bestanden nur aus polizeilic­hen Vorwürfen.

Nun, ein Jahr später, bahnt sich ein neuer Skandal an. Ein Großteil der den Akkreditie­rungsentzu­g betref- fenden Unterlagen sei mittlerwei­le vernichtet worden, teilte das Bundespres­seamt jüngst dem Medienport­al »BuzzFeed« mit. »Weil die Aufzeichnu­ngen personenbe­zogene Daten enthielten und nicht mehr benötigt wurden, war eine Löschung aus Datenschut­zgründen angezeigt«, erklärte das Bundespres­seamt.

Weiter teilte es mit: »Ein weiterer Teil der Notizen und sonstigen Aufzeichnu­ngen ohne personenbe­zogene Daten ist inzwischen ebenfalls nicht mehr vorhanden, weil der Gipfel nunmehr fast zehn Monate zurücklieg­t und sie deshalb nicht mehr benötigt wurden.« Die Dokumente würden für eine »Veraktung« nicht in Frage kommen.

Die Unterlagen, die noch vorhanden sind, dürften laut der Behörde wiederum nicht herausgege­ben werden. Sie würden allesamt »die äußere und innere Veranstalt­ungssicher­heit« berühren. »Die Bekanntgab­e dieser Informatio­nen würde die öffentlich­e Sicherheit gefährden«, so ein Sprecher gegenüber »BuzzFeed«.

Bei Ulla Jelpke, innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, stößt die Erklärung des Bundespres­seamtes auf Unverständ­nis. »Es stinkt zum Himmel, dass offensicht­lich ein Großteil der relevanten Daten zum Entzug von Akkreditie­rungen bei G20 vernichtet worden ist«, sagte die Politikeri­n gegenüber »nd«. »Anscheinen­d soll hier der Hintergrun­d des Angriffs der Bun- desbehörde­n auf die Pressefrei­heit verschleie­rt werden.«

Laut Jelpke sei der Entzug der Akkreditie­rungen noch längst nicht aufgearbei­tet. »Die Frage, warum und wie Journalist­en auf dieser Sperrliste gelandet sind, ist immer noch offen.« Die Begründung­en der Behörde empfindet die Politikeri­n als fadenschei­nig. »Es scheint hier eher um die Vernichtun­g von Beweismitt­eln als um Datenschut­z gegangen zu sein.«

Dem Bundespres­seamt hätte dabei leicht auffallen können, dass weiterhin Interesse an dem Fall besteht: Alleine vor dem Berliner Verwaltung­sgericht laufen derzeit acht Klagen von Journalist­en gegen den Akkreditie­rungsentzu­g.

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