nd.DerTag

Verschenkt­e Chance

- Sebastian Bähr über das Ende des NSU-Verfahrens

Nach fünf Jahren findet der Mammutproz­ess zu den NSUVerbrec­hen sein Ende. Ungeachtet der Urteile gegen Zschäpe und die vier Mitangekla­gten lässt sich festhalten: Hintergrün­de der rassistisc­hen Mordserie konnten in dem Verfahren kaum aufgeklärt werden. Viele mutmaßlich­e Mittäter aus dem Unterstütz­ungsnetzwe­rk, aber auch womöglich involviert­e Staatsbedi­enstete bleiben unbehellig­t. Die Forderung der Opferangeh­örigen nach einer umfassende­n Durchleuch­tung des NSU-Komplexes wurde ignoriert. Eine Auseinande­rsetzung mit institutio­nellem Rassismus haben Polizei und Justiz umgangen.

Das Scheitern der Aufarbeitu­ng hat verschiede­ne Gründe. Ein offensicht­licher ist das dreiste Verhalten des Verfassung­sschutzes. Entweder schwiegen seine Mitarbeite­r oder sie logen. Alles, was die Behörden taten, war auf eine Verhinderu­ng der Aufklärung ausgericht­et. Ein weiterer Grund ist das fehlende Engagement der Bundesanwa­ltschaft. Anstatt den NSU-Komplex in seiner Tiefe zu durchdring­en, gab man sich mit der Spitze des Eisbergs zufrieden. Der Fokus lag von Anfang an nur auf den fünf Angeklagte­n, alles darüber hinaus wurde abgebügelt.

Mit dem Verfahren hat die deutsche Justiz die Chance zur Aufklärung und auch zur Schaffung von Gerechtigk­eit verschenkt. Die Zivilgesel­lschaft muss nun weiter Druck ausüben, damit die offenen Fragen nicht unter den Tisch fallen und die restlichen Verantwort­lichen zur Rechenscha­ft gezogen werden. Einen Schlussstr­ich darf es nicht geben.

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