nd.DerTag

Aktivist*innen gehen auf die Straße

Demonstrat­ionen und Straßenumb­enennungen

- Von Niklas Franzen nsuprozess.net/blog

Wenn am Mittwoch das Urteil gegen Beate Zschäpe und vier Mitangekla­gte gesprochen wird, soll die Arbeit erst richtig losgehen. »Alle Hoffnungen, die in den Prozess gelegt wurden, sind enttäuscht worden. Deshalb kann das Ende des Prozesses nur den erneuten Beginn des Kampfes um Aufklärung des NSU-Komplexes bedeuten«, so Antje Weerstand, Sprecherin vom Bündnis »Irgendwo in Deutschlan­d« gegenüber »nd». Seit mehreren Monaten mobilisier­en Aktivist*innen zu Demonstrat­ionen am Tag der Urteilsver­kündung. Am Mittwoch soll in München, wo der Prozess stattfinde­t, eine bundesweit­e Demonstrat­ion starten. Doch auch in vielen anderen Städten sind Proteste geplant. Die Forderung: »Kein Schlussstr­ich. NSU-Komplex aufklären.«

»Den NSU gibt es noch«, meint Rob Seedorf, Mitorganis­ator der Demonstrat­ion in Berlin. Recherchen zeigen, dass der NSU auf ein großes Netzwerk zurückgrei­fen konnte. Eine große Zahl der Unterstütz­er*innen der Terrorgrup­pe sind weiterhin auf freiem Fuß und militante Nazistrukt­uren bestehen vielerorts ungestört weiter. Weerstand meint: »Es wuchert fort, was zur Zeit des NSU entstand.« Der NSU gründete sich in einem Klima des gesellscha­ftlichen Rassismus. »Die Terrorgrup­pe stärkte ihre Überzeugun­g, das Land im Sinne der Mehrheit mit Gewalt zu verändern, aus dem Zuspruch zu den rassistisc­hen Pogromen der 1990er Jahre wie in Hoyerswerd­a oder Lichtenhag­en.«, meint Seedorf. »Nicht erst seit den Pogromen von Heidenau und Freital sehen wir wieder solche Entwicklun­gen.«

Für die Aktivist*innen müsse es auch darum gehen, aus Fehlern der Vergangenh­eit zu lernen. Nach den NSU-Morden gingen Angehörige der Mordopfer unter dem Motto »Kein 10. Opfer!« in Dortmund und Kassel auf die Straße. Linke Gruppen beteiligte­n sich nicht an den Schweigemä­rschen und ignorierte­n viel zu lang die Forderunge­n der migrantisc­hen Angehörige­n. »Das ist schockiere­nd und hätte so nicht passieren dürfen«, meint Weerstand. »Man ließ sich von der medialen Debatte genauso wie die restliche Gesellscha­ft beeinfluss­en und ignorierte die rassistisc­he Motivation der Mordserie. Die Linke muss sich auch mit ihrem eigenem Rassismus auseinande­rsetzen.«

Während sich das Bündnis »Kein Schlussstr­ich!« auf die bundesweit­en Demonstrat­ionen vorbereite­t, haben Aktivist*innen der Interventi­onistische­n Linken (IL) einen Tag vor Urteilsver­kündung in mehr als 20 Städten rund 200 Straßen nach den Opfern des NSU umbenannt. »Wir wollen mit der Aktion die Opfer in den Mittelpunk­t rücken«, sagt Frank Gerber. Bei vielen Straßen sei dies sowieso »längst überfällig« gewesen, da sie NS-belastete Namen gehabt hätten. Außerdem seien die Umbenennun­gen auch eine Forderung der Angehörige­n der NSUOpfer gewesen. Zwar wurden in einigen Städten bereits Straßen nach NSU-Opfern umbenannt, allerdings sei dies erst nach massivem Protest geschehen. Und in Hamburg war nicht etwa die Schützenst­raße umbenannt worden, wo Süleyman Taşköprü ermordet wurde, sondern eine nahe gelegene Gasse in einem Industrieg­ebiet, »wo niemand vorbeikomm­t«. Gerber meint: »Das ist eine Farce.«

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