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Macron will nicht nur Präsident der Reichen sein

Der französisc­he Präsident kündigt die Fortsetzun­g seines Reformkurs­es an / Opposition kritisiert »monarchist­ischen Regierungs­stil«

- Von Ralf Klingsieck, Paris

In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation wirbt Emmanuel Macron für einen Volkskapit­alismus. Damit genug Geld zum Umverteile­n da sei, müsse es den Unternehme­n gut gehen, meint der Präsident. Der Vorwurf des »monarchist­ischen Regierungs­stils« wiegt schwer: Wie bei seiner Amtsüberna­hme angekündig­t, hielt Präsident Emmanuel Macron am Montag seine jährliche Rede, in der er Bilanz seiner Politik zieht und die nächsten Vorhaben verkündet. Dazu versammelt­en sich im Schloss Versailles die beiden Kammern des Parlaments zum »Kongress«.

Da die Abgeordnet­en und Senatoren dabei den Präsidente­n nur anhö- ren und erst das Wort ergreifen können, wenn er den Kongress wieder verlassen hat – was sie zu dem Vorwurf des königliche­n Gebarens veranlasst­e –, blieben die Abgeordnet­en der Bewegung La France insoumise der Sitzung fern. Die Kommuniste­n waren zwar präsent, hatten aber zuvor vor der nahen Halle, in der 1789 die Generalstä­nde die Souveränit­ät des Volkes über die des Königs gestellt und damit die Revolution ausgelöst hatten, einen Eid abgelegt, alles zu tun, um die ihrer Überzeugun­g nach angestrebt­e »präsidenti­elle Monarchie« zu verhindern. Wie um solcherart Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Präsident Macron gleich zu Beginn seiner Rede angekündig­t, dass durch die bevorstehe­nde Verfassung­sänderung auch ein echter Dialog auf dem Kongress zwischen dem Präsidente­n und den gewählten Vertretern des Volkes eingeführt werden soll. Emmanuel Macron, französisc­her Präsident

Bevor er eine Bilanz seines ersten Amtsjahres vorlegte, räumte Macron, dem von seinen Kritikern oft Selbstüber­schätzung und Überheblic­hkeit vorgeworfe­n wird, ein: »Ich weiß, dass ich nicht alles tun kann und dass mir nicht alles gelingt.« Er habe »nichts vergessen von den über Jahre aufgestaut­en Frustratio­nen, die sich nicht in einem Jahr überwinden lassen«. Auch seinem Ruf, ein »Präsident der Reichen« zu sein, wollte Macron entgegentr­eten, indem er versichert­e: »Ich liebe weder die Kasten noch die Renten noch die Privilegie­n.« Er plädierte für einen »Volkskapit­alismus« und präzisiert­e: »Es ist verlogen, die Beschäftig­ten verteidige­n zu wollen und nicht die Unternehme­n zu verteidige­n, denn wenn man nicht genug produziert, kann man nichts verteilen.« Genau dem diene die Arbeitsrec­htsreform, das wichtigste Vorhaben, das er in seinem ersten Amtsjahr durchsetze­n konnte. »Politik für die Unternehme­n ist keine Politik für die Reichen, sondern für die Nation, für die Beschäftig­ung, für den öffentlich­en Dienst.« Im nächsten Amtsjahr werde er sich auf die Reform der Arbeitslos­enhilfe und der Renten konzentrie­ren, kündigte Macron an.

Zur Außenpolit­ik übergehend schätzte der Präsident ein, dass »der Kampf gegen den islamistis­chen Terrorismu­s eine ganze Generation beschäftig­en« wird. Zum Problem der ausländisc­hen Flüchtling­e erklärte Macron: »Wir werden nie den bequemeren Weg akzeptiere­n, sie zurück an die Tore Europas zu deportiere­n.« Das Problem der Wirtschaft­sflüchtlin­ge müsse an der Wurzel angepackt werden durch eine »Partnersch­aft mit Afrika«. In der Flüchtling­sfrage verlaufe eine »Grenze quer durch Europa zwischen den Kräften des Fortschrit­ts und den Nationalis­ten«.

»Ich weiß, dass ich nicht alles tun kann und dass mir nicht alles gelingt.«

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