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Der Herr der Wespen kämpft gegen die Angst

Bayern : Vor allem im Frühjahr und Frühsommer ist der Insektenum­setzer Claus Schenk häufig gefragt

- Von Christiane Bosch, Bad Kissingen

Garten- und Hausbesitz­er fürchten sie, wenn sich Wespen und Hornissen auf dem Anwesen breitmache­n. Der Wespenumse­tzer Claus Schenk will sie dagegen retten. Ein Bericht aus Bayern. Friedlich fliegen die Wespen durch ein kleines Loch in der Wand in das rotweiße Gartenhäus­chen. An einem schmalen Holzbalken direkt über den abgestellt­en Fahrrädern und Gartenstüh­len klebt das Nest der etwa 150 Tiere. Es ist so groß wie ein Handball. Die geschäftig­e Ruhe ist für den Wespenschw­arm gleich vorbei. Denn Claus Schenk ist in seinen blauen Schutzanzu­g gestiegen und hat eine kleine Säge in die Hand genommen. Der 48-Jährige ist Wespen- und Hornissenu­msetzer. Davon gibt es in Bayern meist eine Handvoll in jedem Landkreis.

Schenk ist hauptberuf­lich Fachbetreu­er für Umweltbild­ung beim Naturpark und Biosphären­reservat Rhön. Die Betreuung der Hornissen und Wespen im Landkreis Bad Kissingen übernimmt er ehrenamtli­ch. »Rund 3000 Kilometer fahre ich dafür im Jahr durch den Landkreis«, sagt der Naturschüt­zer. Der Bedarf ist hoch. Die Unsicherhe­it ist es auch. Viele wollen die Tiere nicht in ihrer Nähe, schon gar nicht als Schwarm. Sie fürchten Angriffe.

Deshalb legen sie im schlechtes­ten Fall entweder selbst Hand an und zerstören verbotener­weise das Nest oder töten die Tiere. Oder sie rufen im besten Fall Experten wie die Feuerwehr, Schädlings­bekämpfer oder eben Claus Schenk. Denn die haben nicht nur die Ausrüstung, sondern vor allem das Wissen um die Tiere. Wespen sind als wildlebend­e Tiere durch das Bundes- naturschut­zgesetz geschützt und dürfen nicht grundlos getötet werden. »Hornissen, eine Wespenart, stehen sogar auf der Roten Liste der stark gefährdete­n Arten«, erklärt Schenk. Wer ein Nest von Hornissen zerstört, riskiert hohe Strafen. In Bayern können – zumindest auf dem Papier – bis zu 50 000 Euro dafür fällig sein. Artenexper­te Klaus Mandery vom Bund Naturschut­z in Bayern kennt allerdings keinen einzigen Fall, bei dem ein Bußgeld verhängt wurde.

Mandery zufolge ist die Unterschut­zstellung der Hornisse vor vielen Jahrzehnte­n eine Erfolgsges­chichte des Naturschut­zes. »Damals war die Art fast ausgestorb­en.« Jetzt begegne man bei Ausflügen in die Natur eigentlich immer auch Hornissen. Der Schutz über die Rote Liste wäre seiner Meinung nach deshalb heute gar nicht mehr nötig. Im Herbst überarbeit­en Experten die Rote Liste für Bayern. Dann fliegt die Hornisse möglicherw­eise raus.

Die Furcht vieler vor den dicken Brummern und ihren kleineren Kollegen aber dürfte bleiben. Vor allem im Frühjahr und Frühsommer klingeln deshalb bei der Feuerwehr, bei Schädlings­bekämpfern und bei Claus Schenk häufig die Telefone, weil ein neues Nest in Menschennä­he entdeckt wurde. Sein neuester Auftrag hat ihn zum Gartenhäus­chen von Dunja Köszegi in Bad Kissingen geführt. Sie habe zunächst auch überlegt, das Wespennest einfach selbst zu entfernen, gibt sie zu. Weil sie aber allergisch ist und vom gesetzlich­en Schutz der Wespen zumindest schon mal gehört hat, rief sie vorsichtsh­alber erst den Wespenexpe­rten an.

Der nähert sich nun im Schutzanzu­g dem kleinen Wespennest. Mit langsamen Bewegungen sägt er das Nest vom Holzbalken und lässt es sanft in einen weißen Plastikeim­er fallen. Die grau-braunen Nester sind aus einer Art Holzbrei gemacht. Die geschichte­te Hülle ist sehr leicht und sieht aus wie sehr dünnes Altpapier. Darin sieht man die Waben mit den Eiern und Larven der Wespen.

Wenig später setzt Schenk das Nest im Wildpark Klaushof in einen eigens gebauten Umsiedlung­skasten um. »Das ist sozusagen unsere Hornissen- Auffangsta­tion.« Weil aber gerade kein Hornissens­chwarm gerettet werden muss, dürfen nun die Wespen einziehen. »Heute Abend oder morgen gucke ich nochmal, wie sie den Umzug überstande­n haben«, sagt der Tierschütz­er.

Geld verlangt Schenk nicht von Dunja Köszegi. Für das Umsetzen eines Wespen- oder Hornissenn­estes sind etwa 130 bis 200 Euro üblich. »Das könnte ich nicht. Ich kann doch nicht erst erklären, wie wichtig der Schutz der Tiere ist und dann die Hand aufhalten.« Schenk sieht in dieser Hinsicht auch den Gesetzgebe­r im Zugzwang. »Der lässt die Bürger quasi allein. Er schützt erst die Tiere, und um die Umsetzung des Gesetzes muss sich der Bürger selbst kümmern – und das dann auch selbst bezahlen.«

So oft müssen die Bürger indes gar nicht in die eigene Tasche greifen, denn Umsiedlung­en von Hornissen und Wespen sind selten. Vom Bund der Deutschen Schädlings­bekämpfer, der Feuerwehr Würzburg und dem Landkreis Bad Kissingen heißt es übereinsti­mmend, dass das eher die Ausnahme ist. An der Tagesordnu­ng sind dagegen ausführlic­he Aufklärung und Beratung zu Schutzmaßn­ahmen.

Schenks wichtigste Arbeit als ehrenamtli­cher Wespen- und Hornissenu­msetzer ist deshalb auch der Kampf gegen die Angst. »Das ist meine Aufgabe: Den Leuten die Angst nehmen.« 90 Prozent seiner Arbeit mache das aus. »Wespen und Hornissen sind friedliche Tiere – wenn man ein paar Regeln beachtet.« Zudem sind die Tiere nicht nur höchst fasziniere­nd, findet Schenk, sondern auch notwendig: »Wespen sind sehr wichtig für ein funktionie­rendes Ökosystem. Vor allem in Zeiten des Insektenst­erbens.«

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Fotos: dpa/Matthias Merz Claus Schenk in Aktion – das Wespennest bringt er in einen Wildpark.

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