nd.DerTag

Keine Gleichheit Ost

LINKE: Vereinheit­lichung der Rentenwert­e führt de facto zu weniger Geld im Alter

- Von Grit Gernhardt

Bis 2025 sollen die Rentenwert­e Ost und West angegliche­n werden, hat die Bundesregi­erung beschlosse­n. Doch damit fällt die Höherwertu­ng ostdeutsch­er Einkommen weg – die Ostrenten könnten sinken. 28 Jahre nach der Wende sollen auch die Renten in Ost und West langsam die gleiche Höhe erreichen – sagt die Bundesregi­erung. Deshalb hat sie bereits im vergangene­n Jahr beschlosse­n, den bisher für die Einkommen der Ostdeutsch­en geltenden Höherrechn­ungsfaktor von derzeit 12,48 Prozent bis 2025 schrittwei­se komplett abzuschaff­en. Dafür soll der Rentenwert Ost auf das West-Niveau angehoben werden. Aktuell ist ein Rentenpunk­t im Osten 30,69 Euro wert, im Westen aber 32,03 Euro. Was nach einem wichtigen Schritt zur Gleichstel­lung in beiden Teilen des Landes klingt, hat in der Realität aber einen großen Haken: Solange nämlich die Einkommen in den neuen Bundesländ­ern weiter deutlich niedriger sind als in den alten, gibt es keine Gleichstel­lung bei den Renten.

Das zeigt auch eine Kleine Anfrage des Ostbeauftr­agten der Linksfrakt­ion im Bundestag, Matthias Höhn. Er wollte von der Bundesregi­erung wis- sen, wie viel Rente eine heute 54-jährige, Vollzeit arbeitende Verkäuferi­n im Osten zwischen 2018 und dem Rentenbegi­nn im Jahr 2031 erarbeiten könnte. Ihr Monatseink­ommen beträgt laut dem Entgeltatl­as der Bundesagen­tur für Arbeit aktuell 1701 Euro brutto. Bliebe die Höherwertu­ng der Osteinkomm­en auf dem Niveau von 2017 erhalten, würde die Verkäuferi­n für diese 13 Jahre Arbeit demnach später 374 Euro Rente im Monat erhalten – bei Wegfall der Höherwertu­ng aber nur 344 Euro. Bei einer durchschni­ttlichen Rentenbezu­gsdauer von 22 Jahren fehlten der Beispielbe­schäftigte­n demnach insgesamt rund 8000 Euro gegenüber der heutigen Berechnung­sweise, heißt es aus dem Büro Höhn.

Demnach bedeuten die beschlosse­nen gleich hohen Rentenwert­e nicht automatisc­h auch gleich hohe Renten. Im Gegenteil: »Damit wird aus der Angleichun­g der Renten unter den gegebenen Bedingunge­n real eine Rentenkürz­ung für die Ostdeutsch­en«, so Höhn gegenüber »nd«. Und das wird sich auch nicht ändern, solange die Einkommen in Ost und West unterschie­dlich sind. Eine westdeutsc­he Verkäuferi­n nämlich erhält aktuell im Durchschni­tt rund 2136 Euro Bruttolohn und somit – egal ob mit oder ohne Höherwertu­ng der Osteinkom- men – für die gleiche Arbeitszei­t auch weiterhin mehr Rente. Laut dem Jahresberi­cht zum Stand der deutschen Einheit aus dem vergangene­n Jahr liegen die ostdeutsch­en Löhne im Schnitt um fast 20 Prozent unter den westdeutsc­hen. Und auch wenn einige westdeutsc­he Regionen ebenfalls strukturel­l benachteil­igt sind, ergibt sich das deutlichst­e Lohngefäll­e weiter zwischen den bis 1990 getrennten Teilen des Landes.

Als die Rentenwert­anpassung im Februar 2017 vom Bundeskabi­nett beschlosse­n wurde, hatte sogar die damalige Sozialmini­sterin Andrea Nahles (SPD) eingeräumt, dass Beschäftig­te im Osten nach der Angleichun­g bei der Bewertung ihrer Renten benachteil­igt würden und dass das ein Problem des unterschie­dlichen Lohnniveau­s sei. In den nächsten Jahren müsse daher eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Die gibt es allerdings bis heute nicht. »Für eine wirkliche Rentengere­chtigkeit muss auch die strukturel­l bestehende Lohnlücke geschlosse­n werden«, forderte auch Höhn. Und bis das passiert sei, könne die Höherwertu­ng der Osteinkomm­en nicht abgeschaff­t werden, warnte er: »Solange die Lohnlücke besteht, muss sie wie bisher mit dem Umrechnung­sfaktor abgefedert werden.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany