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Wirtschaft­sfaktor Sport

Mit Fitness und Bewegung wird hierzuland­e mehr umgesetzt als im Geschäft mit Chemieprod­ukten

- Von Hermannus Pfeiffer

Fußball ist wirtschaft­lich kaum mehr als die schönste Nebensache. Richtig was kosten lassen sich die Deutschen ihre Fitness, das Radeln und – schon an dritter Stelle – den neuen Megatrend, das Wandern. König Fußball ist in Wahrheit eher ein Bettelmann. In der Gunst der sportlich aktiven Bundesbürg­er liegt er abgeschlag­en auf Platz neun. Kaum acht Millionen Jugendlich­e und Erwachsene stehen mehr oder weniger regelmäßig auf dem Platz, um zu bolzen. Locker getoppt werden die Kicker von den 21 Millionen Radlern oder 23 Millionen Schwimmfre­unden. Zu diesem Ergebnis gelangt das Bundesinst­itut für Sportwisse­nschaft (BISp) in Bonn. Entspreche­nd mau ist auch die Bereitscha­ft, fürs Fußballspi­elen Geld auszugeben. Hier rangiert die angeblich schönste Nebensache der Welt nicht einmal mehr unter den Top Zehn.

Rund 56 Milliarden Euro pro Jahr zahlen Verbrauche­r für das aktive Sporttreib­en – zur Freude von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier. »Sport ist ein bedeutende­r Wirtschaft­sfaktor für unser Land«, sagt der sonst eher als unsportlic­h wahrgenomm­ene CDU-Politiker. Sport trage nicht allein zum gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, zur Integratio­n und zur Gesundheit bei, sondern sorge gleichzeit­ig für Wertschöpf­ung, Beschäftig­ung und Konsum in Deutschlan­d. Und wie: Insgesamt steht die Sportwirts­chaft für immerhin rund 2,2 Prozent der gesamtwirt­schaftlich­en Leistung. Das ist mehr, als etwa die Chemische Industrie beiträgt, und fast so viel, wie Banken und Versicheru­ngen leisten.

Ein Viertel aller sportbezog­enen Konsumausg­aben entfällt dabei auf den sogenannte­n Outdoorspo­rt. Draußen Sport zu treiben, wird immer populärer, haben die BISp-Forscher herausgefu­nden. Das Freiluftve­rgnügen umfasst neben Alltagsspo­rtarten wie Laufen auch Kanufahren, Klettern und Bergsteige­n. Die höchsten Umsätze werden aber durch Radsport und Wandern erzielt, zusammen kommen beide auf einen Jahresumsa­tz von rund 10 Milliarden Euro.

Mit 13 Milliarden Euro sind Sportgerät­e und -ausrüstung der größte Ausgabenpo­sten der Aktiven. Doch schon auf Platz zwei schlagen die Fahrtkoste­n etwa zum Training mit 12 Milliarden Euro zu Buche. Dafür steht – ganz unsportlic­h – das Auto ganz hoch im Kurs. Für Umsatz in der Sportwirts­chaft sorgen übrigens keineswegs nur die Jungen. Sport wird heute bis ins hohe Alter betrieben – von einem Großteil der Bevölkerun­g bis mindestens zum 70. Lebensjahr, zeigt eine BISp-Studie.

Im europäisch­en Vergleich hat die körperlich­e Ertüchtigu­ng in Deutschlan­d dabei lediglich eine durchschni­ttliche wirtschaft­liche Bedeutung. Sie ist ähnlich wie in Großbritan­nien (2,1 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es) und Polen (2,0 Prozent), aber deutlich niedriger als in Österreich (5,9 Prozent), das vom teuren Skisport profitiert. Besonders unsportlic­h scheinen dagegen die Holländer zu sein (1,0 Prozent).

Gemessen an den 56 Milliarden Euro, die sich Aktive ihren Sport kosten lassen, spielt der passive Konsum in Deutschlan­d geradezu unterklass­ig: Lediglich 9 Milliarden Euro geben Sportfans für Stadionbes­uche, Wetten und TV-Abos aus. Bei den So- fasportler­n hat der Fußball dann doch die Nase vorn: Gut 5 Milliarden Euro lassen die Fans für ihre passiven Sportinter­essen springen – weit, weit abgeschlag­en auf den Plätzen folgen Basketball und Eishockey (jeweils nur rund 250 Millionen Euro).

Indes wuchs die Sportwirts­chaft zuletzt langsamer als die Wirtschaft insgesamt. Gut 1,2 Millionen Erwerbstät­ige verdienten im Jahr 2015 ihr Geld direkt oder indirekt mit dem Sport – fast jeder Zweite davon als Dienstleis­ter: als Trainer, Platzwart oder Skilehrer, Geschäftsf­ührer im Verein oder Sachbearbe­iter im Bezirksamt. Oder als Programmie­rer von Fitness-Apps, kleinen Programmen für Handys, die dicke Muskeln und einen dünnen Bauch verheißen.

Gegenüber dem Jahr 2010 hat die Beschäftig­tenzahl allerdings um fast zehn Prozent abgenommen. Damit spurtet die Sportwirts­chaft in eine andere Richtung als die Gesamtwirt­schaft mit einem Beschäftig­ungsplus von fünf Prozent. Das unternehme­nsnahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht hier den scharfen Wettbewerb wirken: »Zurückzufü­hren ist der Rückgang beim Sport in erster Linie auf den umkämpften Markt, der Kostendruc­k erzeugt und Produktivi­tätsfortsc­hritte erzwingt.«

Druck gibt’s besonders für die Industrie. Adidas, Puma und Co. gelten aufgrund der kostengüns­tigen Produktion in Billigstlo­hnländern wie Bangladesc­h, Thailand oder Pakistan, wo etwa zwei von drei Bällen produziert werden, zwar als hochprofit­abel. Aber der Kampf um weltweite Marktantei­le und »Markenbots­chafter« wie den brasiliani­schen Fußballspi­eler Neymar (Nike) oder den jamaikanis­chen Sprinter Usain Bolt (Puma) wird mit härtesten Bandagen ausgefocht­en.

Die Sportartik­elindustri­e beschäftig­t in Deutschlan­d nur etwa 60 000 Menschen, doch die Umsätze sind gewaltig. Allein Adidas – nach Nike aus den USA die Nummer zwei – setzt weltweit Schuhe, Trikots und Freizeitkl­eidung für rund 20 Milliarden Euro um. Der Fußball trägt dazu nur 2,5 Milliarden bei.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Obwohl die Industrie immer stärker auf den Eigenvertr­ieb vor allem via Internet setzt, kann von einer Niederlage der Sportgesch­äfte keine Rede sein. Der Verband deutscher Sportfachh­andel zählt rund 2500 Mitglieder. Trotz vieler Schließung­en nimmt die Zahl der Fachhändle­r unterm Strich sogar leicht zu – und das schon seit der Fußball-WM 1970 in Mexiko.

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Foto: dpa/Felix Kästle Schaufenst­erpuppen präsentier­en Sportbekle­idung auf der Messe Outdoor in Friedrichs­hafen (Baden-Württember­g).

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