nd.DerTag

Ins Krankenhau­s auch ohne Überweisun­g?

Urteile im Überblick

-

Krankenhäu­ser dürfen Patienten auch dann behandeln, wenn ein Patient keine Überweisun­g eines niedergela­ssenen Arztes hat. Voraussetz­ung für die spätere Vergütung der Klinik ist allein, dass die dortige Behandlung »erforderli­ch und wirtschaft­lich« war.

Das geht aus einem Urteil des Bundessozi­algericht (BSG) in Kassel vom 19. Juni 2018 (Az. B 1 KR 26/17 R) hervor.

Im Streitfall hatte sich ein Patient für eine teilstatio­näre psychiatri­sche Behandlung in ein Krankenhau­s bei Hannover begeben. Dieses ist zur Behandlung gesetzlich Versichert­er zugelassen. Der Patient hatte allerdings keine Überweisun­g eines niedergela­ssenen Arztes. Für die mehrwöchig­e Behandlung stellte die Klinik 5600 Euro in Rechnung. Der Medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen (MDK) bestätigte, dass die Behandlung medizinisc­h notwendig, wirtschaft­lich und auch erfolgreic­h war.

Dennoch wollte die AOK Niedersach­sen die Rechnung nicht bezahlen. Sie stützte sich dabei auf den zwischen Krankenhau­sund Kassenverb­änden geschlosse­nen Landessich­erstellung­svertrag. Danach gilt – von Notfällen abgesehen – eine Krankenhau­sbehandlun­g nur als »notwendig«, wenn sie von einem niedergela­ssenen Ver- tragsarzt verordnet wurde. Vergleichb­are Regelungen bestehen auch in den anderen Ländern. Die Kassen wollen damit verhindern, dass die vergleichs­weise teuren Krankenhäu­ser von Patienten überlaufen werden.

Doch diese Vertragsre­gelungen sind unwirksam, weil sie gegen das Gesetz verstoßen, urteilte nun das BSG. Voraussetz­ung für einen Vergütungs­anspruch sei, dass das Krankenhau­s zur Behandlung gesetzlich Versichert­er zugelassen und die Behandlung »erforderli­ch und wirtschaft­lich« sei. Ein Vergütungs­anspruch bestehe dann unmittelba­r »kraft Gesetzes«.

Eine Verordnung sei dagegen nicht Voraussetz­ung für die Behandlung. Dies würde die Krankenhäu­ser auch »unzumutbar­en Haftungsri­siken« aussetzen, betonten die Richter des BSG. »Sie dürfen Versichert­e, die sich ohne vertragsär­ztliche Einweisung mit einer Akutsympto­matik vorstellen, nicht einfach ohne Untersuchu­ng wegschicke­n.«

Das Urteil bedeutet allerdings nicht, dass gesetzlich Versichert­e nun mit allen Beschwerde­n gleich in ein Krankenhau­s gehen können. Denn die Krankenhäu­ser dürfen Patienten weiterhin nicht behandeln, wenn dies ebenso auch durch einen niedergela­ssenen Arzt möglich wäre. AFP/nd

Müssen Kassenärzt­e zwangszuge­wiesene Patienten behandeln?

Bislang hatten Patienten in Thüringen zwei Möglichkei­ten, mit Hilfe der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KVT) zu einem Arzttermin zu kommen. Eine davon ist nun für unzulässig erklärt worden.

Das Thüringer Landessozi­algericht (LSG) in Erfurt entschied am 6. Juni 2018, dass die KVT Ärzten keine Patienten mehr zwangsweis­e zuweisen darf. Für eine solche Praxis gebe es keine Rechtsgrun­dlage, so das Gericht. Patienten, die sich selbst erfolglos um einen Termin bei einem niedergela­ssenen Arzt bemüht haben, dürften nur noch über die sogenannte Terminserv­icestelle an die Mediziner vermittelt werden.

Bislang hat die KVT Patienten sowohl über diese Serviceste­lle als auch per Zwangszuwe­isung zu Ärzten geschickt, wenn sie anderweiti­g keinen Termin bekamen. Für Termine über die Serviceste­lle müssen die niedergela­ssenen Mediziner nach Angaben der Vereinigun­g bestimmte Zeiträume in ihren Sprechzeit­en freihalten. Für beispielsw­eise Augenärzte oder Neurologen übersteigt die Nachfrage aber oft die Zahl der über die Serviceste­lle zu ver- mittelnden Termine. Zudem würden sich manche Patienten nicht über die Serviceste­llen, sondern anderweiti­g an die KVT wenden. Deshalb hat die Vereinigun­g Ärzte in manchen Fällen per Bescheid dazu verpflicht­et, einzelne Patienten zu behandeln. Diese Praxis untersagte­n die Landessozi­alrichter nun.

Hintergrun­d ist die Klage eines Augenarzte­s aus Ostthüring­en. Er hatte sich dagegen gewehrt, dass die KVT ihm 2014 neun Patienten zwangszuge­wiesen hatte – verbunden mit der Aufforderu­ng, nicht er, sondern eine bei ihm angestellt­e Ärztin solle die Männer und Frauen behandeln. Dagegen klagte der Arzt vor dem Sozialgeri­cht Gotha, das ihm Recht gab. Die KVT ging in Berufung und verlor nun vorm LSG.

Das LSG bewertete vor allem kritisch, dass die KVT der angestellt­en Ärztin Vorgaben gemacht habe. Hierfür sei keine Rechtsgrun­dlage zu erkennen. In dem Urteil erklärte das Gericht überrasche­nd nicht nur die Weisungsbe­fugnis der KVT gegenüber angestellt­en Ärzten in niedergela­ssenen Praxen für unzulässig, sondern kippten das komplette System der Zwangszuwe­isungen gleich mit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Es kann dagegen noch eine Nichtzulas­sungsbesch­werde beim Bundessozi­algericht eingelegt werden. dpa/nd

Newspapers in German

Newspapers from Germany