Versicherer planen den Ausverkauf
Kapitallebensversicherung
Seit der Finanzkrise beobachtet die Finanzaufsicht Bafin bei allen Versicherungsgruppen »eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen Geschäftsmodell«. Experten erwarten 2018/2019 Entscheidungen. Eine Möglichkeit, die Vorstände ins Auge fassen, ist der – im Branchenjargon – Run-off. Was sollen Versicherte tun? Fortführen, verkaufen, kündigen oder ruhen lassen?
Die Versicherungslandschaft in Deutschland könnte in der zweiten Jahreshälfte grundlegend umgepflügt werden. Viele Versicherungskonzerne haben bereits vor der Sommerpause das Neugeschäft mit Kapitallebensversicherungen (KLV) eingestellt. Nun diskutieren die Vorstände darüber, Altverträge an externe Dienstleister zu verkaufen. Beim sogenannten Run-off (englisch »weglaufen«) geht es um Millionen von Policen.
Zum Beispiel Generali: Das italienische Unternehmen hat hierzulande einen Marktanteil bei Lebensversicherungen von etwa zehn Prozent. Noch im Juni hieß es aus der Konzernzentrale in München: Der Vorstand prüfe »sehr intensiv verschiedene Optionen«.
Betroffen sind 4,2 Millionen Verträge. Eine der Optionen ist der Run-off, der Verkauf der Po- licen als Paket oder der ganzen Generali Lebensversicherung AG an einen Finanzinvestor.
Bislang haben nur einige kleine Versicherer wie Basler Leben, Victoria, Skandia oder Arag einen Run-off durchgezogen. Den davon betroffenen Marktanteil beziffert die Finanzaufsicht Bafin auf weniger als vier Prozent. Verkauft nun auch noch ein großer Akteur wie Generali, könnte diesen einen Erdrutsch in der Branche auslösen, befürchtet die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Beschäftigte und Verbraucherschützer ärgert besonders, dass die Resteverwerter keine Versicherungsunternehmen sind, sondern eher schlecht beleumundete Finanzinvestoren. Die Resterampe in Deutschland teilen sich bislang die drei »Heuschrecken« Cinven (in Deutschland: Viridium) aus Großbritannien, Apollo (Athene) aus den USA – der Konzernsitz liegt in einer Steueroase – und die chinesische Fosun (Frankfurter Leben).
Das liebste Kind
Dabei war die »kapitalbildende Lebensversicherung« einmal des Westdeutschen liebstes Anlage- kind: Im Schnitt besaß jeder Bundesbürger mindestens einen Vertrag. Die Kapitallebensversicherung verbindet eine klassische Versicherungsleistung, den Todesfallschutz, mit einem Sparvorgang.
Vom Staat wurde die KLV üppig subventioniert: Bis zum Jahr 2005 konnten die Erträge steu- erfrei eingestrichen werden – ein zentrales Verkaufsargument für jeden Vertreter, mit dem dieser auf der Couch des potenziellen Kunden sitzend, wuchern konnte.
Unter der rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder wurden auf Druck der Banken und Fondsgesellschaften die Privilegien der Versicherer zusammengestrichen.
Trotz der Privatisierung der Rente suchen seither die Versicherungskonzerne nach einem neuen Verkaufsschlager. Angesichts der Niedrigzinsen rechnet sich für sie die klassische Lebensversicherung mit ihren hohen und daher kostspieligen Garantien nicht mehr. Kapitalgarantie und Mindestzins (»Höchstrechnungszins«) schützen die Verbraucher vor Verlusten. Nun sollen es (riskante) Fonds-Policen oder Verträge ohne garantierte Verzinsung für die Assekuranz richten.
Leitfaden hilft
Die Auswirkungen, die das Ende des Neugeschäfts und ein Runoff auf die Kunden haben werden, hängen vom Einzelfall ab. Der geplante Verkauf von Lebensversicherungen an Investoren hat viele Verbraucherinnen und Verbraucher schon jetzt zumindest verunsichert. Beispielsweise die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz erhält täglich Anfragen, in denen sie um eine Beratung oder Überprüfung der Wertentwicklung von Verträgen gebeten wird.
Was sollen Versicherte tun? Die Verträge fortführen, verkaufen, kündigen oder ruhen lassen? »Die Frage, was Versicherte zukünftig mit ihrem Vertrag machen sollen, kann niemand seriös beantworten«, gesteht Michael Wortberg, Versicherungsreferent der Verbraucherzentrale in Mainz, eine gewisse Ratlosigkeit ein.
Nach Wortbergs Einschätzung müsste man für eine belastbare Antwort die Entwicklung der Finanzmärkte und der Versicherungsfinanzen bei den einzelnen Gesellschaften vorhersehen können. Kann er aber nicht. Darüber hinaus müssten ertragsstärkere, sichere Alternativen benannt werden, mit denen man die Verluste bei einer Kündigung mehr als ausgleichen könnte.
Dennoch gibt die Verbraucherzentrale in einem Leitfaden einige nützliche Tipps rund um die KLV-Verträge. Dabei werden Fragen beantwortet wie: Wer sollte auf keinen Fall kündigen? Wie kann die Rendite mit kleinen Veränderungen trotz niedriger Zinsen erhöht werden? Was sollte bei einem Verkauf der Versicherungspolice beachtet werden?
Der siebenseitige Leitfaden kann im Internet heruntergeladen (www.verbraucherzentrale-rlp.de) oder per E-Mail versicherung@vzrlp.de bestellt werden.