nd.DerTag

Unvollende­t

Uwe Kalbe über das Urteil gegen Beate Zschäpe im NSU-Prozess

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Beate Zschäpe hat die Höchststra­fe erhalten – ein Urteil, das der Schwere der verhandelt­en Taten entspricht. Das mehr als angemessen erscheint. Und das ein Gefühl von Gerechtigk­eit trotzdem nicht herzustell­en vermag. Als Geste staatliche­r Autorität wirkt es hilflos und unvollende­t. Es verschafft den Hinterblie­benen keine Genugtuung und der Gesellscha­ft keinen Zuwachs an Vertrauen, dass die Gefahr des rechten Terrors erkannt wäre – weil das Gericht sich um diese gar nicht gekümmert hat. Es folgte vielmehr der selbst auferlegte­n Beschränku­ng auf einen kleinen Kreis identifizi­erter Beteiligte­r an den Morden des NSU. Es schloss die Augen vor jenen politische­n Umständen, die sein eigenes Agieren so einschränk­ten, dass vollständi­ge Aufklärung irgendwann als aussichtsl­os erschien.

Unaufgeklä­rt bleibt die beunruhige­nde Verwicklun­g staatliche­r Dienste in die Strukturen der Naziszene, die sie zu kontrollie­ren vorgeben. Politische Umstände zu ändern, ist nicht Aufgabe eines Gerichts. Aber das Urteil hat eine politische Dimension. Was womöglich auch die angekündig­te Revision erleichter­n könnte – das Ergebnis muss leider als offen gelten. Der Münchner Prozess endet nicht mit einem Justizskan­dal; den gesellscha­ftlichen Skandal um den NSU hat er gleichwohl vergrößert. Das Urteil wirkt wie ein Schlussstr­ich unter die ohnehin längst erlahmten Bemühungen um Aufklärung eines himmelschr­eienden Verbrechen­s. Das darf es nicht sein. Rechter Terror findet Nachahmer. Seit 2015 gab es offiziell rund 2500 Anschläge auf Flüchtling­sheime.

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