Der Gewinner im Akku-Markt ist: China
Bei der Elektromobilität kommen Hersteller wie CATL dank staatlicher Industriepolitik an die Spitze
China ist längst auch im Technologiebereich eine Industriegroßmacht. Auch die Herstellung von Stromspeichern für Elektroautos wird zunehmend von chinesischen Unternehmen dominiert. Hoch aus der Luft sehen die Fabrikgebäude aus wie elektronische Komponenten: streng rechteckig, mit grauen Fassaden und funkelnd blauen Solardächern. Daneben erheben sich wie Skelette die Umrisse neuer Werkshallen. Am Rande des Bezirks Jiaocheng der ostchinesischen Millionenstadt Ningde entsteht die weltweit größte Fertigung von Batterien für Elektroautos. An der Mauer neben dem Tor steht in blauen Lettern der Firmenname: CATL.
Das gerade einmal sieben Jahre alte Unternehmen hatte Anfang Juni an der Börse zwei Milliarden Euro eingesammelt, um die weltweite Expansion zu finanzieren. Bei den deutschchinesischen Regierungskonsultationen in Berlin in dieser Woche vereinbarten Vertreter von CATL und des Landes Thüringen den Bau einer riesigen Fabrik für Batteriezellen bei Erfurt. BMW gehört bereits zu den Kunden des Werks, Daimler hat ebenfalls Interesse. In China gehört Volkswagen zu den Großkunden.
Der Bau der Batteriefabrik auf deutschem Boden ist ein schlauer Schachzug: Er passt zur chinesischen Gesamtstrategie, dass Auto-Akkus künftig »Made by China« sein sollen – und zugleich rückt der Zulieferer an seine großen Kunden heran. Auch politisch ist die Investition hochwillkommen: Das Investment nimmt Kritikern, die bemängeln, dass China in Deutschland eher Firmen zukaufe, als neue Anlagen zu errichten, den Wind aus den Segeln.
Doch letztlich folgen die chinesischen Batteriehersteller den Anreizen der Pekinger Wirtschaftsplaner. China soll Großmacht der Elektromobilität werden und sichert sich jetzt schon die globale Marktführerschaft für eine entscheidende Komponente. Denn während am herkömmlichen Auto der Verbrennungsmotor den höchsten Anteil an der Wertschöpfung hat, ist es am Elektroauto die Batterie – sie macht rund 40 Prozent des Preises aus. Wer die Akkus hat, beherrscht das Herzstück der Autoindustrie der Zukunft.
Derzeit ist der Markt zwar noch einigermaßen gleichmäßig zwischen Herstellern aus Japan, Südkorea und China aufgeteilt. Doch die chinesische Regierung hat konkrete Pläne, um die asiatische Konkurrenz zurückzudrängen. »Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich China im Zentrum eines industriellen Rüstungswettlaufs um Batterien befindet«, sagt Simon Moores, Chef der Londoner Forschungsfirma Benchmark Mineral Intelligence, gegenüber »nd«. Und: »China gewinnt.«
Deutschland steht abgeschlagen da. Die Stärke der deutschen Autoindustrie war der Verbrennungsmotor – ein heikles Gebilde aus mehreren Tausend beweglichen Teilen, an dessen Herstellung in der Bundesrepublik laut Ifo-Institut bis zu 600 000 Arbeitsplätze hängen. Die E-AutoBatterien werden dagegen fast alle aus Fernost kommen. Selbst wenn Hersteller in Deutschland Batteriefabriken errichten, dann beziehen sie die eigentlichen Zellen oft von asiatischen Anbietern – wie von CATL, ob in Erfurt hergestellt oder in Ningde. China wird bis 2020 mindestens zwei Drittel des Weltmarkts mit Auto-Akkus beliefern, schätzt Benchmark Mineral Intelligence. Andere Analysten gehen von einem noch höheren Marktanteil aus.
Hier wiederholt sich die Wirtschaftsgeschichte: Auch die Produktion von Kameras, Handys oder Bildschirmen ist in großem Stil nach Ostasien abgewandert. Wertvolle Teile wie Sensoren und Displays im Inneren der wenigen deutschen Markenwaren kommen meist von dort. Das spektakulärste Beispiel der jüngeren Zeit waren die Solarzellen. Dort spielte sich vor 15 Jahren das ab, was jetzt bei den Akkus läuft: Staatlich geförderte Milliardeninvestitionen haben in China Produktionskapazitäten entstehen lassen, gegen die europäische Angebote nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Heute beschäftigen die Photovoltaikhersteller in China fast eine halbe Million Menschen und erwirtschaften knapp 35 Milliarden Euro im Jahr.
China wendet die bewährten Methoden der Industriepolitik an, um zum Zentrum der Mobilität der Zukunft zu werden. »Wenn eine Tech- nologie als wichtig identifiziert ist, dann fördert die Regierung sie konsequent«, sagt Ulf Henning Richter, Professor für Industriestrategie an der renommierten Tongji-Universität in Shanghai. Wichtige Instrumente seien Subventionen und Forschungsförderung. Diese komme insbesondere von den Provinzen, die um die Ansiedlung des größten und erfolgreichsten Anbieters konkurrieren.
Doch der größte Vorteil Chinas ist der eigene riesige Markt. Die Regierung lässt Nachfrage schaffen, bevorzugt dabei systematisch einheimische Produkte. »Es ist davon auszugehen, dass vor Ort produzierte Elektroautos auch lokal produzierte Batterien verwenden müssen«, sagt Jochem Heizmann, China-Vorstand bei Volkswagen.
Doch das bedeutet nicht, dass die Regierung hier Staatsbetriebe aufpäppelt, für die damit alles wie von selbst läuft. Die Batteriehersteller sind Privatfirmen, die vorausschauend investiert haben und hart daran arbeiten müssen, im Konkurrenzkampf zu bestehen. Sie investieren hohe Summen in Forschung und Entwicklung. Analysten bescheinigen ihnen einen hohen technischen Stand.
Neben CATL haben auch andere chinesische Anbieter ehrgeizige Pläne. Darunter der Elektroautopionier BYD, der in der Provinz Qinghai eine neue Fabrik errichtet – dort ist der Boden reich an dem Rohstoff Lithi- um. Die Anbieter können sich auf ihren Heimatmarkt verlassen – dafür sorgt Peking. Die stärkste Waffe sind selektive Subventionen für Elektroautos und Hybride, die chinesische Batterien verwenden. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnik aktualisiert regelmäßig seine Liste der Elektroautomodelle, die beim Kauf einen Zuschuss erhalten.
Derzeit stehen darauf 304 Modelle von 94 Herstellern. Darauf findet sich derzeit kein einziger Typ, der eine koreanische Batterie verwendet. »Aber darauf kommt es an: Wer den chinesischen Markt besetzt, hat gute Aussichten, auch global ganz vorne mitzuspielen«, sagt Ökonom Richter.
Auch Daimler, Volkswagen und BMW sind in China dabei. Mit Partner BAIC zusammen baut Daimler in China eine eigene Fabrik und investiert dafür gemeinsam mit dem Pekinger Staatsbetrieb über 650 Millionen Euro. »Wir verfügen damit über den ersten Auslandsstandort in unserem globalen Batterie-Produktionsverbund«, sagt Produktionschef Markus Schäfer. Das alles sehen die Wirtschaftspolitiker in Peking mit Wohlwollen. In nicht allzu ferner Zukunft kommen die entscheidenden Teile auch für Autos deutscher Marken von fernöstlichen Herstellern – und wieder ist ein Teil der qualifizierten Wertschöpfung nach Asien abgewandert.
Es gibt derzeit 140 Hersteller von Akkus in China, doch CATL hat sich in erstaunlich kurzer Zeit an die Spitze des Rudels vorgearbeitet. Der Physiker Zeng Yuqun hat das Unternehmen 2011 gegründet. Der damals 42Jährige kannte das Geschäft bereits recht gut, weil er seinerzeit für den japanischen Batteriehersteller Amperex Technology (ATL) arbeitete. Zugleich ist Zeng politisch bestens vernetzt. Er ist Mitglied der zweiten Kammer des Parlaments, der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes.
Die Firma nannte er Contemporary Amperex Technology (CATL) – das »Neue ATL«, wie es auf Chinesisch wesentlich direkter heißt. Zeng sammelte unter anderem von Staatsbanken Kapital ein und baute die erste Fabrik in seiner Heimatregion Ningde. Er ging damit voll ins Risiko: Damals verkauften sich in China lediglich etwas über 1000 Elektroautos pro Jahr. Dass der Markt so schnell wachsen würde, war trotz wohlklingender Ankündigungen höchst unsicher. Doch Zengs Rechnung ging auf: 2018 werden in China voraussichtlich über eine Million Elektroautos einen Käufer finden, schätzt der heimische Autoherstellerverband CAAM. Zeng ist damit Chef und Besitzer eines der aussichtsreichsten Unternehmen.
Es gilt in der Branche als ausgemachte Sache, dass CATL demnächst zum Weltmarktführer für Batterien aufsteigt. In den Fabrikhallen, die sich in Planung befinden, sollen bis 2020 zusätzliche Produktionsstraßen für Batterien mit einer Kapazität von 24 Gigawattstunden entstehen. Zusammen mit den bestehenden Anlagen könnte CATL dann jährlich Batterien mit einer Kapazität von 42 Gigawattstunden herstellen. Damit kommt CATL auf ein Drittel mehr als die vieldiskutierte »Giga-Fabrik«, die USKonkurrent Tesla im Bundesstaat Nevada errichtet.
»Wenn eine Technologie als wichtig identifiziert ist, dann fördert die Regierung sie konsequent.« Ulf Henning Richter, Tongji-Universität Shanghai