nd.DerTag

Spaniens Justiz schießt quer

Martin Ling zur Suspendier­ung von sechs katalanisc­hen Abgeordnet­en

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Politisch stehen die Zeichen im Katalonien-Konflikt auf Entspannun­g, juristisch kann davon keine Rede sein. Pablo Llarena, Ermittlung­srichter am Obersten Gerichtsho­f, hat sechs im vergangene­n Dezember gewählte katalanisc­he Abgeordnet­e aus dem Unabhängig­keitslager, darunter Ex-Regionalpr­äsident Carles Puigdemont, von ihrem Mandat suspendier­t, um freie Fahrt für die jeweiligen »Rebellion«-Verfahren zu erlangen.

Was aus Sicht des Hardliners Llarena folgericht­ig ist, ist für Spaniens sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez ein Problem: Sánchez hat öffentlich anerkannt, dass es sich beim Katalonien-Konflikt um ein politische­s Problem handelt, das eine politische Lösung brauche. Llarenas Vorgehen kommt für Sánchez denkbar ungelegen.

Die Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fes unterstrei­cht einmal mehr, dass die Justiz sich nicht wandelt, weil eine Regierung wechselt. Und der grundlegen­de Konflikt, dass sich rund die Hälfte der katalanisc­hen Bevölkerun­g im spanischen Staat nicht mehr zuhause fühlt, wird durch die juristisch­e Keule verstärkt. Gegen 800 Bürgermeis­ter in Katalonien laufen Verfahren, weil sie sich für ein Unabhängig­keitsrefer­endum eingesetzt haben. Spaniens Oberste Richter werden vom Staat ernannt: Wenn Sánchez nicht handelt, wird er in Katalonien scheitern.

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