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Der Fall: Facebook-Profil von toter Tochter vererbbar?

- Mwi

Können Eltern das Facebook-Konto ihres verstorben­en Kindes erben? Darüber urteilt an diesem Donnerstag der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe. Im Jahr 2012 war die Tochter der Klägerin in einem Bahnhof unter eine einfahrend­e UBahn gestürzt und gestorben. Danach wollten die Eltern erfahren, ob es vielleicht ein Suizid war. Hinweise darauf erhofften sie sich in den Facebook-Nachrichte­n ihrer damals 15-jährigen Tochter. Die hatte ihrer Mutter bei der Eröffnung ihres Profils im Alter von 14 Jahren die Zugangsdat­en überlassen, damit diese sie – wenn nötig – vor Missbrauch im Internet schützen könne. Doch nach ihrem Tod versetzte Facebook das Profil in den »Gedenkzust­and«. Als die Mutter versuchte, sich in das »eingefrore­ne« Konto der Tochter einzulogge­n, verweigert­e Facebook den Zugriff.

Für das Unternehme­n habe Vorrang, »dass der persönlich­e Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt ist«. Die Freund*innen der Tochter und andere Nutzer*innen müssten darauf vertrauen können, dass Nachrichte­n nicht von Dritten – etwa den Eltern – gelesen werden. Diese Auffassung bestätigte das Berliner Kammergeri­cht in seinem Urteil von Juni 2017 in zweiter Instanz. Das Gericht behandelt damit Chat-Nachrichte­n in sozialen Netzwerken genauso wie Telefonges­präche. Diese sind durch das Fernmeldeg­eheimnis des Telekommun­ikationsge­setzes geschützt. Demnach hätten auch die ChatPartne­r*innen zustimmen müssen, dass die Eltern Einblick in die Nachrichte­n ihrer Tochter nehmen können.

Diese Einschätzu­ng wird wohl in Karlsruhe keinen Bestand haben. Ulrich Herrman, Richter am Bundesgeri­chtshof, zweifelte Facebooks Position vor dem Urteil an: Da die Eltern bereits zu Lebzeiten das Passwort besaßen, wäre fraglich, ob das Vertrauen anderer Nutzer*innen, dass niemand mitlese, wirklich gerechtfer­tigt sei. Die FacebookRi­chtlinien zum »Gedenkzust­and« halten die Richter nicht für bindend, weil sie sich nicht in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen, sondern in der Hilfe finden.

Das Landgerich­t Berlin hatte den Eltern in der ersten Instanz im Dezember 2015 »passive Leserechte« zugestande­n und – auch in Anbetracht der besonderen Umstände – Facebook verurteilt, den Eltern zumindest in geschwärzt­er Form Zugriff auf die Nachrichte­n der Tochter zu geben. Das Gericht urteilte außerdem: Ein FacebookPr­ofil sei wie jeder andere Vertrag Teil des Erbes, eine unterschie­dliche Behandlung von digitalem und »analogem« Vermögen sei nicht gerechtfer­tigt, schließlic­h würden auch Briefe vererbt.

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