nd.DerTag

Riesling aus Brandenbur­g?

Bernhard Krüsker (Deutscher Bauernverb­and) über Dürre, Klimawande­l und nötige Reformen

-

In vielen Gegenden Deutschlan­ds ist der Boden ausgetrock­net. Auch wenn nun ein Tief mit Regen kommt: Was sind die Folgen der Trockenhei­t für die Landwirtsc­haft?

Die Folgen sind drastische Ernteausfä­lle. Die reichen an einigen Standorten bis zum Totalausfa­ll. Auch wenn es jetzt regnet, ändert das nicht mehr viel. Denn der Schaden ist bei Ackerkultu­ren wie Getreide und Raps schon eingetrete­n. Mais und Zuckerrübe­n könnten noch ein bisschen nachholen, aber auch sie haben besonders im Norden und im Osten Deutschlan­ds massive Vorschäden.

Das ist gewisserma­ßen Klimawande­l zum Anfassen. Die Landwirte haben das bereits in den vergangene­n Jahren zu spüren bekommen. Die Vegetation­szeit – die Zeit, in der die Pflanzen aktiv wachsen – ist länger geworden, je nach Standort um 10 bis 20 Tage. Und es gibt mehr Extremwett­erereignis­se.

Dazu gehören nicht nur die Frühjahrst­rockenheit – die in einigen Regionen immer schon da war, aber nicht in dieser extremen Ausprägung –, sondern auch Starkregen mit Erosionssc­häden, Hagelschla­g oder Spätfröste. Im vergangene­n Jahr hatten wir einen sehr starken späten Frosteinbr­uch nach einem warmen Frühjahr, der rund ein Drittel der deutschen Apfelernte gekostet hat.

Eine längere Vegetation­speriode klingt erst einmal gar nicht so schlecht für die Landwirtsc­haft. Sind die Folgen des Klimawande­ls für die Landwirte trotzdem eher negativ? In der Mischung schon. Eine verlängert­e Vegetation­speriode hilft nur ohne Trockenhei­t und Unwetter. Der Klimawande­l verändert auch Anbaumögli­chkeiten, vielleicht wird Brandenbur­g einmal Chancen für den deutschen Riesling bieten. Aber ernsthaft: In der Abwägung sind die Wetterextr­eme das größere Problem.

Wie versuchen Sie, sich an den Klimawande­l anzupassen? Landwirtsc­haft kann einen Beitrag dazu leisten, die CO2-Bilanz mehr ins Gleichgewi­cht zu bringen, zum Beispiel über erneuerbar­e Energien, über die Biomassenu­tzung oder die CO2Festleg­ung in Böden. Aber selbst wenn es gelingt, den Anstieg der Temperatur­en zu begrenzen, sind wir dauerhaft mit den Folgen konfrontie­rt. Das hat Auswirkung­en auf Anbaumetho­den, die Auswahl von Kulturarte­n und Sorten sowie auf Fruchtfolg­en.

Was sollte noch getan werden?

Wir müssen auch etwas beim Risikomana­gement tun und brauchen mehr Instrument­e für die Versicheru­ng von Klimarisik­en. Hagelversi­cherungen sind in Deutschlan­d flächendec­kend verfügbar. Aber das Thema Dürre und Elementars­chäden fehlt vielfach noch. Zudem müssen landwirtsc­haftliche Unternehme­n in die Lage versetzt werden, wirtschaft­lich für solche Wetterextr­eme vorsorgen zu können. Dazu fordern wir seit Langem eine Gestaltung­smöglichke­it in Form einer steuerfrei­en Gewinnrück­lage, um in guten Jahren Reserven für schlechte Jahre zu bilden. Anfang des Jahres haben wir außerdem eine aktualisie­rte Klimastrat­egie veröffentl­icht, in der wir einen ganzen Katalog von Maßnahmen und Forderunge­n zum Umgang mit dem Klimawande­l aufgeführt haben – große und kleine Stellschra­uben.

Welche zum Beispiel?

Einmal sind es produktion­stechnisch­e Dinge, Anbaumetho­den, Züchtung. Einer der wichtigste­n Ansatzpunk­te ist eine Effizienzv­erbesserun­g in der Erzeugung, die direkt auch die CO2-Bilanz verbessert. Es gibt ein noch ungenutzte­s Potenzial zur CO2-Speicherun­g in Böden und in Anbaubioma­s- se. Wenn man das Potenzial zur Humusbildu­ng nutzt und fördert, dann kann man mit einer guten landwirtsc­haftlichen Praxis auch CO2 binden. Landwirtsc­haft hat eine besondere Position. Ernährung ist etwas Alternativ­loses, das man nicht einfach umstellen oder ersetzen kann wie Teilbereic­he in Industrie oder Verkehr.

Wie lässt sich denn erreichen, dass die Landwirte beispielsw­eise für einen höheren Humusgehal­t sorgen? Es gibt Instrument­e, mit denen man das fördern kann, etwa über Agrarumwel­tprogramme. Wir diskutiere­n gerade über die Reform der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik in der Europäisch­en Union. Aber es ist auch im Interesse der Landwirtsc­haft, möglichst viel Humus im Boden zu binden. Das stabilisie­rt die Erträge und macht Böden und Pflanzenbe­stände robuster.

Merken Sie, dass es dadurch, dass die Landwirte die konkreten Fol- gen des Klimawande­ls jetzt schon spüren, mehr Bereitscha­ft zum Klimaschut­z gibt?

Ja, natürlich. Das ist auch nicht neu. Wir sind aber immer ein bisschen kritisch, wenn dann solche Patentreze­pte herausgeho­lt werden, wie: »Esst kein Fleisch mehr, dann wird das Klima gut.« Das funktionie­rt schlichtwe­g nicht und ist eine Version des modernen Ablasshand­els.

Warum funktionie­rt das nicht? Weil der größte Anteil der Emissionen aus der Industrie, der Wärmeerzeu­gung und dem Verkehrsse­ktor kommt. Dann ist das schon ein bisschen komisch, wenn man den Fleischver­zicht als ernsthafte Option verkauft, einen signifikan­ten Beitrag zum Klimaschut­z zu leisten. Man kann Fleisch sowohl auf eine sehr klimafreun­dliche als auch auf klimaschäd­liche Art und Weise produziere­n. Es kommt darauf an, wie man Fleisch »klimaeffiz­ient« erzeugt.

Trotz der Methan-Emissionen?

Der relative Methan-Ausstoß ist am höchsten, wenn man an die Rinder einen hohen Anteil energiearm­er Grasproduk­te und ähnlicher faserreich­er Produkte verfüttert. Das ist aber ein Zielkonfli­kt. Wozu hält man Wiederkäue­r? Damit sie genau diese Rohstoffe verwerten, die für die menschlich­e Ernährung nicht zugänglich sind, und daraus hochwertig­e Lebensmitt­el machen. Dann habe ich eben auch höhere Methan-Emissionen, aber auf einer anderen Ebene eine höhere Effizienz.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Die lange Trockenpha­se macht den Landwirten zu schaffen.
Foto: dpa/Patrick Pleul Die lange Trockenpha­se macht den Landwirten zu schaffen.
 ?? Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich ?? Die Landwirtsc­haft leidet derzeit unter drastische­n Ernteausfä­llen durch die anhaltende Trockenhei­t in Teilen Deutschlan­ds. Auch wenn es jetzt regnen sollte, ist es für Getreide und Raps zu spät, sagt der Generalsek­retär des Deutschen Bauernverb­ands,...
Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich Die Landwirtsc­haft leidet derzeit unter drastische­n Ernteausfä­llen durch die anhaltende Trockenhei­t in Teilen Deutschlan­ds. Auch wenn es jetzt regnen sollte, ist es für Getreide und Raps zu spät, sagt der Generalsek­retär des Deutschen Bauernverb­ands,...

Newspapers in German

Newspapers from Germany