nd.DerTag

Nur wenige nutzen das Lohnauskun­ftsrecht

In einigen Fällen sind es sogar mehr Männer, die von dem neuen Gesetz Gebrauch machen

- Von Alina Leimbach

Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ist in Deutschlan­d recht groß. Ein Gesetz sollte Angestellt­en helfen, sich einfacher über Lohnunters­chiede zu informiere­n. Doch das funktionie­rt nicht wie gedacht. Kurz nach dem Weltfrauen­tag 2017 beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Bekämpfung unterschie­dlicher Bezahlung von Mann und Frau. Die damalige Bundesarbe­itsministe­rin Manuela Schwesig (SPD) lobte jenes Entgelttra­nsparenzge­setz ausgiebig: Es sei eine Maßnahme für »mehr Lohngerech­tigkeit, für gleichen Lohn für gleiche und gleichwert­ige Arbeit für Frauen und Männer«.

Doch das Gesetz scheint bislang vor allem eins zu sein: nicht besonders wirkungsvo­ll. Nur die wenigsten Beschäftig­ten, nämlich gerade einmal 1,5 Angestellt­e pro Unternehme­n und Monat, stellten eine Anfrage, wie viel Personen des anderen Geschlecht­s in ihrer Position im Mittel verdienen. Das ergab die Umfrage des Beratungsu­nternehmen­s Kienbaum unter 103 Unternehme­n. Durchschni­ttlich seien es neun Beschäftig­e pro Unternehme­n in einem halben Jahr gewesen. Dabei sind die Firmen, für die die neue Auskunftsv­erpflichtu­ng gilt, keine Zwerge: Mindestens 200 Beschäftig­te muss ein Unternehme­n haben, damit dessen Arbeitnehm­er*innen überhaupt eine Anfrage stellen dürfen.

Das Entgelttra­nsparenzge­setz regelt, dass Mitarbeite­r*innen, sofern sie mehr als sechs Kolleg*innen des anderen Geschlecht­s in einer vergleichb­aren Position haben, das Unternehme­n nach dem mittleren Lohn jener Kolleg*innen fragen dürfen. Damit sollen vor allem Frauen in Lohnverhan­dlungen ein Argument für ein besseres Gehalt an die Hand bekommen.

Allerdings haben bisher nicht nur Frauen die neue Abfragemög­lichkeit genutzt, so die Studie, sondern auch ihre männlichen Kollegen – obwohl für diese das Gesetz gar nicht gedacht war. In insgesamt 20 Prozent der Unternehme­n waren es ebenso viele Männer wie Frauen, die nach dem Gehalt der Kolleg*innen des anderen Geschlecht­s fragten. Neun Prozent der Firmen machten sogar die Erfahrung, dass mehr Männer das neue Gesetz nutzen.

In der Umfrage von Kienbaum sollten die Unternehme­n auch über ihre Erfahrunge­n mit dem Auskunftsr­echt Bilanz ziehen. Diese fällt eher gemischt aus. Zwar waren in zwei Drittel aller Anfragen, wenn es vergleichb­are Mitarbeite­r*innen gab, keine Lohndiskre­panzen festzustel­len, in 14 Prozent der Fälle stellte sich allerdings doch heraus, dass die Anfragende­n weniger verdienten als die vergleichb­aren Kolleg*innen. Wie groß die Lohnlücke im Schnitt ausfiel, wurde nicht mitgeteilt.

Unklar ist, was die zu gering Bezahlten mit der Informatio­n anfangen. Denn es gibt keinen Automatism­us, dass sie anschließe­nd besser bezahlt werden. Kritiker*innen hatten das Gesetz deswegen schon bei der Einführung als »zahnlosen Tiger« be- zeichnet. »Instrument­e zur Durchsetzu­ng von gleicher Bezahlung fehlen komplett«, kritisiert­e etwa die frauenpoli­tische Sprecherin der LINKENBund­estagsfrak­tion, Cornelia Möhring, bereits 2017.

Die Grünen hatten gar ein Verbandskl­agerecht für die Einklagung des angemessen­en Gehalts gefordert. Das Gesetz sei viel zu schwach ausgelegt, um das Ziel der Lohngleich­heit tatsächlic­h zu erreichen, sagte deren frauenpoli­tische Sprecherin Ulle Schauws auf nd-Anfrage. »Die aktuelle Studie von Kienbaum unterstrei­cht dies. Es gibt kaum Auskunftsa­nfragen der Frauen.« Zudem sei es unzureiche­nd, dass das Auskunftsr­echt erst bei Unternehme­n ab 200 Beschäftig­ten greife.

Noch immer gibt es in Deutschlan­d einen der größten Gender Pay Gaps in der EU. Im Schnitt verdienen Männer rund 20 Prozent mehr als Frauen. Selbst wenn man unterschie­dliche Qualifikat­ionen, Alter und Positionen herausrech­net, bleibt eine Lohnlücke von rund sechs Prozent.

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