nd.DerTag

Dicker Hund

Haustiere in den Industriel­ändern sind häufig übergewich­tig – und verhalten sich bei der Nahrungsau­fnahme ähnlich wie Menschen

-

Überflüssi­ge Pfunde reduzieren auch die Lebenserwa­rtung von Katzen und Hunden. Mithilfe der Haustiere könnten Modelle für die Untersuchu­ng der Fettleibig­keit des Menschen entwickelt werden.

Budapest. Übergewich­tige Hunde legen ein ähnliches Verhalten an den Tag wie auch manche übergewich­tigen Menschen. Das ergab zumindest eine ungarische Studie, deren Ergebnisse im Fachmagazi­n »Royal Society Open Science« veröffentl­icht wurden. Wie die Wissenscha­ftler der Eötvös-Loránd-Universitä­t berichten, bevorzugen die Tiere energierei­che Nahrung und versuchen, ihre Nahrungsau­fnahme zu maximieren. Die Forscher beobachtet­en das Verhalten unabhängig von der Hunderasse.

Möglicherw­eise könnten Hunde künftig als Modell für die Adipositas­Forschung eingesetzt werden. Sie leben in enger Gemeinscha­ft mit dem Menschen und seien entspreche­nd denselben Umweltfakt­oren ausgesetzt.

Schätzunge­n zufolge sind rund 40 Prozent der Haustiere in den Industriel­ändern Mitteleuro­pas zu dick; in Deutschlan­d tragen laut einer Studie der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München (LMU) 52 Prozent der Hunde und Katzen zu viel Speck auf den Rippen. In den USA sind der Gesellscha­ft zur Vermeidung von Fettleibig­keit unter Tieren zufolge gar 60 Prozent der Katzen und 56 Prozent der Hunde zu schwer – Übergewich­t und Adipositas sind bei Haustieren weltweit ein Problem.

Mit fatalen Folgen: Um bis zu zwei Jahre können überflüssi­ge Pfunde die Lebenserwa­rtung von Haustieren reduzieren. Diabetes, Arthritis und Herzerkran­kungen sind häufige Begleiters­cheinungen. Entspreche­nd hat die LMU 2017 eine Adipositas­Sprechstun­de für Hunde und Katzen eingericht­et. Schon 2006 berichtete­n Tierärzte der Universitä­t Leipzig von einer Fettabsaug­ung bei einem stark übergewich­tigen Hund.

Ein Team um den Verhaltens­forscher Ákos Pogány von der EötvösLorá­nd-Universitä­t in Budapest untersucht­e nun, welche Eigenschaf­ten übergewich­tige Hunde kennzeichn­en. Die Zoologen führten zwei Tests mit 91 Hunden verschiede­ner Rassen durch und fanden heraus, dass sich normal- und übergewich­tige Hunde unterschie­dlich verhalten. In der ersten Versuchsre­ihe konnten sich die Hunde zwischen zwei Futternäpf­en entscheide­n: Der eine enthielt Futter schlechter­er Qualität. Auf diesen zeigte der Versuchsle­iter mit dem Finger. Der andere enthielt Futter besserer Qualität oder gar nichts. Übergewich­tige Tiere bevorzugte­n nun meist das gute Futter und ignorierte­n die Geste des Versuchsle­iters, wenn die von diesem nicht ange- zeigte Schüssel das gute Futter enthielt. Auf den ersten Blick wirkt das überrasche­nd, da zu erwarten wäre, dass sich übergewich­tige Hunde eher für den Napf entscheide­n, der in jedem Fall Futter enthält. Die Wissenscha­ftler verweisen allerdings auf mehrere Studien mit Menschen, die belegten, dass übergewich­tige oder fettleibig­e Menschen energierei­che Nahrung bevorzugen, also solche, die reich an Fett und Zucker ist. In ihrem Experiment war dies die Schüssel mit dem Futter besserer Qualität.

Im zweiten Experiment wurden den Hunden zunächst zwei Futternäpf­e an gegenüberl­iegenden Seiten eines Raumes gezeigt: Der Napf auf der einen Seite enthielt immer Futter, der auf der anderen nicht. Nachdem die Hunde dies gelernt hatten, wurde eine Schüssel in der Mitte des Zimmers platziert, und zwar so, dass der Vierbeiner nicht sehen konnte, ob sie einen Leckerbiss­en enthält oder nicht. Übergewich­tige Hunde zeigten sich hier zögerliche­r als normalgewi­chtige Hunde und brauchten länger, um den ungewissen Futternapf zu inspiziere­n – ein Verhalten, das die Forscher als »negative kognitive Verzerrung« bezeichnen. Mit anderen Worten: Bei unsicherer Belohnung zögerten die Hunde, sich auf den Weg zu machen.

Insgesamt, so die Autoren der Studie, würden zu dicke Hunde versuchen, die Nahrungsau­fnahme energierei­chen Futters zu maximieren, während sie zögerten, wenn die Futterbelo­hnung unsicher sei, und zwar so gut wie unabhängig von der Rasse.

Die Verhaltens­forscher hoffen, dass ihre Untersuchu­ngen dazu beitragen, bessere Modelle für die Untersuchu­ng von Übergewich­t und Adipositas zu entwickeln. Bislang werden Ursachen und Folgen von Fettleibig­keit vor allem mit Nagetieren wie Ratten erforscht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany