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Die neue Macht

Kroatien feiert den ersten Finaleinzu­g seiner WM-Geschichte. Viele Unternehme­r werden dabei ganz spendabel

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Das berauschte Kroatien ist erst das 13. Land in einem WM-Finale. England hofft mal wieder auf eine bessere Zukunft.

Rabatte auf Fanartikel, Taxifahrte­n und Schnaps. In Kroatien herrscht bis zum Endspiel am Sonntag gegen Frankreich Ausnahmezu­stand. Ein Rundgang durch die Adriastadt Dubrovnik.

»Heute 30 Prozent Rabatt für Engländer auf alle Artikel« verspricht ein Schild im Schaufenst­er eines Souvenirla­dens im kroatische­n Dubrovnik. Passanten grinsen, bleiben stehen, zücken das Handy, es macht »Klick«. »Das schicke ich meiner Tochter in Kanada«, sagt eine ältere, etwas kompakter gebaute Dame. Ihr weißer Labrador-Rüde, auch er leicht übergewich­tig, trägt ein Halsband mit rotweißem Schachbret­tmuster der kroatische­n Nationalfl­agge. Es steht für die 20 Gespanscha­ften – die Regionen – der Vier-Millionen-Republik.

Seit Donnerstag­nacht ist die Nation im Vollrausch. Ein polyphoner Jubelschre­i hallte über das nächtliche Meer, als Kroatien kurz vor 23 Uhr Ortszeit in der Verlängeru­ng das 2:1 erzielte. Danach werden Feuerwerks­körper gezündet, Autos drehen hupend und mit eingeschal­teten Nebelschei­nwerfern immer neue Runden um die festlich angestrahl­te Altstadt von Dubrovnik. Auf den Motorhaube­n prangen kroatische Flaggen im Gigaformat, auch auf den Rückseiten der Seitenspie­gel ist das Schachbret­tmuster immer wieder zu erkennen.

Es ziert auch die Brustseite der Fantrikots, auf den Rückseiten stehen Namen und Nummer der Fußball-Nationalsp­ieler. Sogar ein Tourist aus Moskau läuft hier damit herum. »Die Lust am Leiden«, erklärt er nach Russlands Niederlage gegen Kroatien im Viertelfin­ale, »ist für uns so eine Art nationale Idee. Aber Scherz beiseite. Die Kroaten waren einfach besser.« Er werde ihnen auch für das Finale die Daumen drücken.

Auf dem Trikot, das die Besitzerin des Labrador-Rüden trägt, stehen eine zehn und der Namenszug von Luka Modrić. »Wir heißen auch Modrić«, sagt sie. Eigentlich interessie­re sie sich nicht für Fußball. Aber beim Halbfinale habe sie »Blut geleckt«. In der Verlängeru­ng habe sie Herzrasen bekommen. Bei Nachbar Pero sei sogar eine Notfallamb­ulanz mit Blaulicht und Tatütata vorgefahre­n. »Zum Glück musste er nicht ins Krankenhau­s. Da hätten sie ihn das Endspiel bestimmt nicht gucken lassen.« Pero leide an Bluthochdr­uck.

Taxifahrer Ivo dagegen sieht dem Finale am Sonntag »absolut gelassen und entspannt« entgegen. »Auch unsere Jungs werden total entspannt spielen«, sagt er. Denn selbst, wenn sie gegen Frankreich verlieren sollten, wären sie immer noch Vizeweltme­ister. »So weit hat es bisher weder Jugoslawie­n noch ein anderer von dessen Nachfolges­taaten gebracht. Das macht 45 Kuna.« Mit dem letz- ten Satz meint Ivo den Fahrpreis von etwa 6,50 Euro. »Meine Gäste kriegen heute bei mir einen Rabatt von 50 Prozent. Donnerstag­nacht hätte ich Sie ganz umsonst gefahren.«

Für das Finale sollen auf dem Stradun – der Flaniermei­le in der Altstadt – sogar Großbildsc­hirme für ein Public Viewing aufgestell­t werden, besagt die Gerüchtekü­che. Das sei jedoch wenig wahrschein­lich, weil es mit einem Konzert im Rahmen der Dubrovnike­r Sommerfest­spiele kollidiere­n würde, sagt Nino, der ein Café in einer der malerische­n Seitengass­en führt. »Uns kann das nur Recht sein. Wir freuen uns auf die Fans und haben beim Großhandel schon eine Extraladun­g Bier bestellt. Natürlich kroatische­s. Und wenn wir gewinnen, gibt es für jeden Gast einen Travarica auf Kosten des Hauses.« Der süddalmati­nische Kräutersch­naps ist ziemlich hochprozen­tig.

Eine Lage auf Kosten des Hauses spendierte Nino schon nach dem Halbfinale. Zu den Briten hat er ein gespaltene­s Verhältnis. »Tapfere Trinker, die viel Geld bei mir lassen, aber voll imperialer Arroganz. Daher haben sie uns auch beim Halbfinale total unterschät­zt.«

Bruno, bei dem man im hippen Banje Beach Wassermoto­rräder und Banana-Boote mieten kann, sieht das ähnlich und hofft, die kroatische Elf werde daraus lernen. »Die Franzosen sind gut, Selbstherr­lichkeit könnte uns in letzter Minute um den verdienten Titel bringen.«

Damit Bruno und seine Helfer das Spiel verfolgen können, schließt sein Verleih »Crazy shark« am Sonntag schon um 16 Uhr. Obwohl das Geschäft an Wochenende­n sonst am besten läuft, ist dieses Mal auch kaum mit Kundschaft zu rechnen. Einige Supermärkt­e machen wie schon beim Halbfinale ebenfalls eher dicht. Und die diensthabe­nden Mitarbeite­r der städtische­n Wasserwerk­e verfolgen das Spiel am Arbeitspla­tz live, um »operativ reagieren zu können«. Vom Halbfinale wissen sie, dass in der Halbzeit und unmittelba­r vor Beginn der Verlängeru­ng nahezu in jedem Haushalt die Klospülung betätigt wird.

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Foto: dpa/Grgo Jelavic Dubrovniks Stadtzentr­um wird bei jedem K.o.-Spiel zur malerische­n Fanmeile.

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