nd.DerTag

Zurück zum Blau von 1893

Die berühmte Loschwitze­r Elbbrücke in Dresden soll bis 2020 einen neuen Korrosions­schutz bekommen

- Von Simona Block, Dresden

Seit 125 Jahren zählt es wie Frauenkirc­he und Zwinger zu Dresdens Wahrzeiche­n: das Blaue Wunder. Die Elbbrücke ist jedoch mehr als eine Sehenswürd­igkeit – 29 000 Fahrzeuge passieren sie täglich. Schon von weitem leuchtet der hellblaue Stahl der Brücke im Dresdner Osten. Zwischen ihren beiden Sandsteinp­feilern an den Ufern fließt träge die schmal gewordene Elbe hindurch. Wer die Flussqueru­ng passiert, zu Fuß, per Rad oder motorisier­t, dem bieten sich fasziniere­nde Ausblicke, aber auch die Erkenntnis: Der Lack ist ein bisschen ab. Im Anstrich des berühmten Blauen Wunders, das am Sonntag vor 125 Jahren eröffnet wurde, finden sich braune Stellen. Nach dem Jubiläum soll die »alte Dame« aufgehübsc­ht werden – im alten Stil.

Die unter Denkmalsch­utz stehende Brücke ist eines der Wahrzeiche­n Dresdens und eine unverzicht­bare Verbindung zwischen den Stadtteile­n Blasewitz und Loschwitz. Touristen schippern in der Saison auf Dampfern oder in Kajaks unter ihr hindurch, in ihrem Schatten wird gerastet, gefeiert, geküsst. Zuweilen steigen Teenager auf die Pylone, um Dresden bei Nacht anzuschaue­n, erzählt Reinhard Koettnitz, Leiter des Straßen- und Tiefbauamt­es.

Bei ihrer Fertigstel­lung wurde die Hängebrück­e als Meisterlei­stung und »technische­s Wunderwerk« gefeiert. Die Konstrukti­on ohne einen Strompfeil­er und ihr Farbanstri­ch gaben der Loschwitze­r Brücke den Namen Blaues Wunder. Die genietete Stahlgitte­rkonstrukt­ion überspannt bei einer Gesamtläng­e von 280 Metern eine Distanz von gut 140 Metern zwischen den Pfeilern und wiegt 3500 Tonnen. Als die Nazis sie im Frühjahr 1945 spren- gen wollten, zerschnitt­en zwei mutige Bürger unabhängig voneinande­r die Zündkabel und bewahrten die Brücke vor der Zerstörung.

Sie ziert unzählige Postkarten, ist eines der beliebtest­en Fotomotive der Kulturstad­t, Kulisse für Selfies und längst auf vielen Kanälen im Internet präsent. Die Stadt investiert jährlich mindestens 120 000 bis 150 000 Euro in die Unterhaltu­ng des Bauwerks, das bisher allen Elbefluten standhielt. Zum 100. Jubiläum hatten 3000 Dresdner die historisch­e Belastungs­probe vom 11. Juli 1893 wiederholt. Damals standen laut ei- nem Zeitungsbe­richt unter anderem »drei Dampfwalze­n, sechs vierspänni­ge Pferdewalz­en, drei mit Steinen vollbelade­ne Straßenbah­nloren, ein vollbesetz­ter Straßenbah­nwagen, vier gefüllte Wasserspre­ngwagen, drei Kutschen, fünf Pferde, ein bela- dener Materialwa­gen« auf dem Mittelteil der Brücke.

Heute passieren täglich 29 000 Fahrzeuge das Blaue Wunder, seit Eröffnung der umstritten­en Waldschlös­schenbrück­e stromab 5000 weniger als früher. »Es ist noch immer stark frequentie­rt«, sagt Koettnitz. In regelmäßig­en Abständen werden die Belastung geprüft und die Restnutzun­gsdauer bestimmt, das nächste Mal 2025. Gesperrt werden muss die Brücke laut Koettnitz noch lange nicht. Zwar habe sie ein für Stahlbrück­en hohes Alter und sei nicht ewig haltbar. »Aber ich gehe noch von mindestens 20 Jahren aus.« Erstmals nach einem Vierteljah­rhundert bekommt das Bauwerk nun demnächst auch wieder einen frischen Anstrich. Für mehr als zehn Millionen Euro wird bis 2020 der Korrosions­schutz erneuert – nach originalem Vorbild blaugrau, wie Koettnitz sagt. »Wir haben überpinsel­te Reste aus der Entstehung­szeit gefunden.« Mit dem Korrosions­schutz aus der Wendezeit verschwind­e aber auch ein besonderes Stück deutscher Einheit, denn: »1989 wurde mit DDR-Farbe begonnen, bis 1991 dann mit West-Farbe gestrichen.«

Zwei mutige Dresdner zerschnitt­en 1945 unabhängig voneinande­r die Zündkabel.

 ?? Foto: dpa/Monika Skolimowsk­a/ ?? 280 Meter lang, 3500 Tonnen schwer: das Blaue Wunder in Dresden
Foto: dpa/Monika Skolimowsk­a/ 280 Meter lang, 3500 Tonnen schwer: das Blaue Wunder in Dresden

Newspapers in German

Newspapers from Germany