Iranische Geldflüge
Irans Führung versucht, Devisenbestände im Ausland in Sicherheit zu bringen
Devisenknappheit sorgt für monetäre Reiseaktivitäten.
Iran macht schwere Zeiten durch – politisch, wirtschaftlich und finanziell. Die neuen Sanktionsdrohungen sorgen für Verunsicherung. Aber auch teure Engagements der iranischen Revolutionsgarden stehen in der Kritik. »Wir wissen schlicht nicht, was passieren wird.« Irans Finanzminister Masud Karbasian zu den Problemen mit der Währung Rial
300 Millionen Euro in bar möchte Teheran aus Deutschland ausfliegen lassen. Der Geldtransfer macht deutlich, wie heikel die Finanzlage in Iran mittlerweile ist. Ausländische Devisen sind heiß begehrt.
Es war ein Treffen, das Vertrauen schaffen sollte: Vor den Kameras des Staatsfernsehens saß Ajatollah Ali Khamenei, Staatsoberhaupt und geistiger Führer Irans, am Sonntag mit Hassan Ruhani, Präsident und für das politische Tagesgeschäft zuständig, sowie dessen wichtigsten Regierungsmitgliedern zusammen und erteilte Anweisungen beziehungsweise Empfehlungen. Normalerweise finden solche Treffen ohne Öffentlichkeit statt; maximal ein Foto und eine knappe Meldung gibt es üblicherweise. Doch seitdem das Atomabkommen mit dem Westen wegen der neuen Sanktionsdrohungen aus den USA auf dem Spiel steht, ist im Land eine tiefe wirtschaftliche und politische Krise ausgebrochen. Gerüchte, Ajatollah und Regierung seien zerstrit- ten, der Ajatollah werde gar den Rücktritt Ruhanis fordern, machen die Runde. Und auch, dass der alternde Ajatollah den Überblick verloren, sich aus den Amtsgeschäften zurückgezogen habe. Am Sonntag stärkte Khamenei Ruhani und dessen Regierung nun öffentlich den Rücken – viel mehr als das wäre auch nicht möglich gewesen.
Schon seit Monaten ist die Staatswährung unter Druck. Die Menschen decken sich mit Dollar und Euro ein, was dazu geführt hat, dass die begehrten Scheine immer seltener und für immer mehr Geld zu haben sind. Dies sei der Hauptgrund, warum die iranische Regierung seit einiger Zeit versuche, so viele Guthaben von ausländischen Bankkonten wie möglich abzuheben, sagt ein Sprecher von Finanzminister Masud Karbasian. »Wir wissen schlicht nicht, was passieren wird.« Zu jenen Guthaben, die im Zuge der zu Beginn des Atomstreits verhängten Sanktionen im Ausland eingefroren waren, sind nach der Unterzeichnung des Abkommens Guthaben aus Verträgen mit westlichen Unternehmen hinzu gekommen, die von der iranischen Regierung oder Unternehmen bei Banken im Ausland geparkt wurden.
Nun möchte die Regierung dieses Geld zurück in Iran haben. Dazu gehören auch 300 Millionen Euro von Konten bei der Europäisch-Iranischen Handelsbank mit Sitz in Hamburg, einer iranischen Staatsbank mit Bankzulassung in Deutschland. Aus der Schweiz, Frankreich und Großbritannien hat man bereits Guthaben abgezogen – problemlos, wie es aus dem iranischen Finanzministerium heißt. Dass der Vorgang in Deutschland öffentlich geworden ist, habe »für Befremden« gesorgt; man sieht das Bankgeheimnis und die Verschwiegenheitspflicht von Behörden verletzt.
Dass man nun die Konten leer räumt, soll nicht allein der Beruhigung der verunsicherten Öffentlichkeit dienen. Auf Grund der wenigen Zahlen, die verfügbar sind, lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass Iran nur noch über Währungsreserven im bestenfalls hohen zweistelligen Millionenbereich verfügt. Und auch die Regierung muss Einkäufe im Ausland überwiegend in bar bezahlen.
Dass in den Tresoren Leere herrscht, liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung Dollars und Euros horte, ließen Regierungssprecher verlauten. Vor allem das Finanzministerium widerspricht dieser Darstellung: Ein Großteil des ausländischen Bargeldes, das gehandelt wird, stamme aus Geschäften zwischen Privatpersonen und Privatunternehmen, so Sprecher Seth Unger. »Ein Ausländer bezahlt einen iranischen Geschäftsmann für eine Leistung in Dollar, und der wiederum kauft dafür im Ausland etwas ein oder tauscht das Geld in iranische Rial um. Da das meist auf dem Schwarzmarkt passiert, kommt das Geld überhaupt nicht mit der Regierung in Berührung.«
Die USA, aber auch viele arabische Regierungen sehen den Grund für die knappen Währungsreserven vor allem bei den Revolutionsgarden, die sehr viel Geld für ihr Engagement in Syrien, Libanon, Jemen und im Gazastreifen ausgäben. In den Vereinigten Arabischen Emiraten, die selbst im Jemen militärisch aktiv sind, verweist das Finanzministerium auf »Ermittlungsergebnisse unserer Behörden«: Die iranischen Revolutionsgarden würden über Scheinfirmen und Scheinidentitäten große Mengen Bargeld in die Krisengebiete der Region transferieren.
Die Existenz solcher Netzwerke ist zuletzt auch in mehreren Korruptionsprozessen gegen Funktionäre der Revolutionsgarden in Teheran zur Sprache gekommen. In Iran versuchen Regierung und Justiz nämlich derzeit, die enorme wirtschaftliche Macht einzudämmen, die die Revolutionsgarden unter Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad an sich gerissen haben. Denn auch in der iranischen Öffentlichkeit wird verstärkt diskutiert, ob die einst von Ajatollah Khomeini errichtete paramilitärische Organisation immer zum Wohle des Staates handelt. Das Engagement in Krisengebieten wird oft sehr kritisch gesehen. Als vor einigen Wochen im Basar von Teheran die Händler demonstrierten, wurden die Revolutionsgarden gar öffentlich beschuldigt, einen »Staat im Staat« gründen zu wollen.