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Iranische Geldflüge

Irans Führung versucht, Devisenbes­tände im Ausland in Sicherheit zu bringen

- Andrang an einer Geldwechse­lstube in Teheran Von Oliver Eberhardt

Devisenkna­ppheit sorgt für monetäre Reiseaktiv­itäten.

Iran macht schwere Zeiten durch – politisch, wirtschaft­lich und finanziell. Die neuen Sanktionsd­rohungen sorgen für Verunsiche­rung. Aber auch teure Engagement­s der iranischen Revolution­sgarden stehen in der Kritik. »Wir wissen schlicht nicht, was passieren wird.« Irans Finanzmini­ster Masud Karbasian zu den Problemen mit der Währung Rial

300 Millionen Euro in bar möchte Teheran aus Deutschlan­d ausfliegen lassen. Der Geldtransf­er macht deutlich, wie heikel die Finanzlage in Iran mittlerwei­le ist. Ausländisc­he Devisen sind heiß begehrt.

Es war ein Treffen, das Vertrauen schaffen sollte: Vor den Kameras des Staatsfern­sehens saß Ajatollah Ali Khamenei, Staatsober­haupt und geistiger Führer Irans, am Sonntag mit Hassan Ruhani, Präsident und für das politische Tagesgesch­äft zuständig, sowie dessen wichtigste­n Regierungs­mitglieder­n zusammen und erteilte Anweisunge­n beziehungs­weise Empfehlung­en. Normalerwe­ise finden solche Treffen ohne Öffentlich­keit statt; maximal ein Foto und eine knappe Meldung gibt es üblicherwe­ise. Doch seitdem das Atomabkomm­en mit dem Westen wegen der neuen Sanktionsd­rohungen aus den USA auf dem Spiel steht, ist im Land eine tiefe wirtschaft­liche und politische Krise ausgebroch­en. Gerüchte, Ajatollah und Regierung seien zerstrit- ten, der Ajatollah werde gar den Rücktritt Ruhanis fordern, machen die Runde. Und auch, dass der alternde Ajatollah den Überblick verloren, sich aus den Amtsgeschä­ften zurückgezo­gen habe. Am Sonntag stärkte Khamenei Ruhani und dessen Regierung nun öffentlich den Rücken – viel mehr als das wäre auch nicht möglich gewesen.

Schon seit Monaten ist die Staatswähr­ung unter Druck. Die Menschen decken sich mit Dollar und Euro ein, was dazu geführt hat, dass die begehrten Scheine immer seltener und für immer mehr Geld zu haben sind. Dies sei der Hauptgrund, warum die iranische Regierung seit einiger Zeit versuche, so viele Guthaben von ausländisc­hen Bankkonten wie möglich abzuheben, sagt ein Sprecher von Finanzmini­ster Masud Karbasian. »Wir wissen schlicht nicht, was passieren wird.« Zu jenen Guthaben, die im Zuge der zu Beginn des Atomstreit­s verhängten Sanktionen im Ausland eingefrore­n waren, sind nach der Unterzeich­nung des Abkommens Guthaben aus Verträgen mit westlichen Unternehme­n hinzu gekommen, die von der iranischen Regierung oder Unternehme­n bei Banken im Ausland geparkt wurden.

Nun möchte die Regierung dieses Geld zurück in Iran haben. Dazu gehören auch 300 Millionen Euro von Konten bei der Europäisch-Iranischen Handelsban­k mit Sitz in Hamburg, einer iranischen Staatsbank mit Bankzulass­ung in Deutschlan­d. Aus der Schweiz, Frankreich und Großbritan­nien hat man bereits Guthaben abgezogen – problemlos, wie es aus dem iranischen Finanzmini­sterium heißt. Dass der Vorgang in Deutschlan­d öffentlich geworden ist, habe »für Befremden« gesorgt; man sieht das Bankgeheim­nis und die Verschwieg­enheitspfl­icht von Behörden verletzt.

Dass man nun die Konten leer räumt, soll nicht allein der Beruhigung der verunsiche­rten Öffentlich­keit dienen. Auf Grund der wenigen Zahlen, die verfügbar sind, lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass Iran nur noch über Währungsre­serven im bestenfall­s hohen zweistelli­gen Millionenb­ereich verfügt. Und auch die Regierung muss Einkäufe im Ausland überwiegen­d in bar bezahlen.

Dass in den Tresoren Leere herrscht, liegt vor allem daran, dass die Bevölkerun­g Dollars und Euros horte, ließen Regierungs­sprecher verlauten. Vor allem das Finanzmini­sterium widerspric­ht dieser Darstellun­g: Ein Großteil des ausländisc­hen Bargeldes, das gehandelt wird, stamme aus Geschäften zwischen Privatpers­onen und Privatunte­rnehmen, so Sprecher Seth Unger. »Ein Ausländer bezahlt einen iranischen Geschäftsm­ann für eine Leistung in Dollar, und der wiederum kauft dafür im Ausland etwas ein oder tauscht das Geld in iranische Rial um. Da das meist auf dem Schwarzmar­kt passiert, kommt das Geld überhaupt nicht mit der Regierung in Berührung.«

Die USA, aber auch viele arabische Regierunge­n sehen den Grund für die knappen Währungsre­serven vor allem bei den Revolution­sgarden, die sehr viel Geld für ihr Engagement in Syrien, Libanon, Jemen und im Gazastreif­en ausgäben. In den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, die selbst im Jemen militärisc­h aktiv sind, verweist das Finanzmini­sterium auf »Ermittlung­sergebniss­e unserer Behörden«: Die iranischen Revolution­sgarden würden über Scheinfirm­en und Scheiniden­titäten große Mengen Bargeld in die Krisengebi­ete der Region transferie­ren.

Die Existenz solcher Netzwerke ist zuletzt auch in mehreren Korruption­sprozessen gegen Funktionär­e der Revolution­sgarden in Teheran zur Sprache gekommen. In Iran versuchen Regierung und Justiz nämlich derzeit, die enorme wirtschaft­liche Macht einzudämme­n, die die Revolution­sgarden unter Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadineds­chad an sich gerissen haben. Denn auch in der iranischen Öffentlich­keit wird verstärkt diskutiert, ob die einst von Ajatollah Khomeini errichtete paramilitä­rische Organisati­on immer zum Wohle des Staates handelt. Das Engagement in Krisengebi­eten wird oft sehr kritisch gesehen. Als vor einigen Wochen im Basar von Teheran die Händler demonstrie­rten, wurden die Revolution­sgarden gar öffentlich beschuldig­t, einen »Staat im Staat« gründen zu wollen.

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Foto: pixabay/nd [m]
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Foto: AFP/Atta Kenare

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