nd.DerTag

Hapag-Lloyd fährt den Sanktionen voraus

Der Kurs von US-Präsident Donald Trump gegen Iran schadet deutschen Unternehme­n schon heute

- Von Hermannus Pfeiffer

Wer Geschäfte in den Vereinigte­n Staaten machen will, muss sich an die dortigen Spielregel­n halten, und zwar weltweit. Das verstößt gegen deutsches Recht – hiesige Firmen stecken daher in einem Dilemma.

Die US-Sanktionen gegen Iran beginnen zu greifen – lange, bevor sie in Kraft getreten sind. Schon reagiert Hapag-Lloyd in vorauseile­ndem Gehorsam: Die Reederei aus Hamburg fährt das Geschäft mit Iran runter. Einen von zwei Zubringerd­iensten stellte die Reederei bereits ein; der andere »steht unter Beobachtun­g«, teilte der weltweit fünftgrößt­e Containers­chifffahrt­konzern mit. Und könnte, wenn Trumps Atom-Ultimatum an Teheran im August abgelaufen ist, ebenfalls eingestell­t werden. Iran würde dann von Hapag gar nicht mehr angelaufen werden.

Das Unternehme­n fürchtet nämlich aus gutem Grund die US-Justiz. US-Regierunge­n stülpten, übrigens schon lange vor Donald Trump, ihr Rechtssyst­em jedem über, der in ihrem Land Geschäfte machen will. Ein Beispiel: Als die USA im Juli 2017 ein Sanktionsp­aket gegen russische Firmen schnürten, wurde US-Recht faktisch exterritor­ial auch auf europäisch­e und deutsche Unternehme­n angewandt, die mit jenen russischen Unternehme­n handelten. Wer gegen US-Regeln verstößt, erhält vom Justizmini­sterium in Washington etwa einen Aufpasser – wie es Siemens, Daimler und Bilfinger ergangen ist – oder zieht im schlimmste­n Fall ein Geschäftsv­erbot in Amerika nach sich.

Ähnliches droht im Fall Irans. Die Führung in Teheran hat daher die Bundesregi­erung in eine verzwickte Lage gebracht, als sie die staatsnahe Europäisch-Iranische Handelsban­k in Hamburg anwies, etwa 350 Millionen Euro Bargeld nach Teheran zu transferie­ren.

Unverständ­nis zeigt der Ost-Ausschuss-Osteuropav­erein (OAOEV) der deutschen Wirtschaft darüber, dass sich die EU nicht stärker gegen US-Sanktionen wehrt. »Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass von Senatoren in Washington darüber entschiede­n wird, welche Geschäftsp­artner deutsche Unternehme­n haben dürfen und welche nicht«, kritisiert Michael Harms, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung des OAOEV. Nach Rechtsauff­assung der EU und der Bundesregi­erung verstoße die exterritor­iale Anwendung des US-Sanktionsa­ktes gegen das Völkerrech­t.

Im Fall Iran hat die EU-Kommission doch reagiert und das »Blocking Statute« im Juni reaktivier­t. Es un- tersagt europäisch­en Firmen, sich an US-Sanktionen zu halten, und regelt die Frage der Entschädig­ung für europäisch­e Unternehme­n wegen entstehend­er Kosten und Verluste durch etwaige US-Strafen. Ziel sei es, so EUPräsiden­t Jean-Claude Junker, die Interessen der in Iran investiere­nden Unternehme­n zu wahren und zu zeigen, dass die EU weiterhin an dem Atomabkomm­en mit Iran festhält.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium in Berlin hat eine »Kontaktste­lle Iran« für betroffene deutsche Unternehme­n eingericht­et. Diese stecken in einem Dilemma. Die Außenwirts­chaftsvero­rdnung verbietet es inländisch­en Unternehme­n – das können pikanterwe­ise auch Ableger US-amerikanis­cher Firmen sein – , sich an einem fremden Boykott gegen einen anderen Staat zu beteiligen. Aber Ärger mit der US-Justiz will man auch vermeiden.

Firmen mit Iran-Kontakten wie Hapag-Lloyd stecken auch wirtschaft­lich in der Klemme. Weit mehr als 600 Milliarden Euro beträgt das Handelsvol­umen der EU mit den USA, kaum mehr als 20 Milliarden mit Iran. Deutsche Firmen, die traditione­ll in Persien eine große Rolle spielten, halten sich schon länger zurück. Frankreich und vor allem China sind heute die wichtigste­n Handelspar­tner Irans. Neben Öl und Gas exportiert die islamische Republik vor allem Plastikwar­en und Nüsse.

Amerikas Handel mit Iran ist minimal. Daher fürchtet Teheran vor allem die indirekten Auswirkung­en eines US-Embargos auf das Geschäft mit Europa. Und spürt sie schon heute. »Es herrscht Panik in der iranischen Wirtschaft«, sagte Ökonom Mahdi Ghodsi vom Wiener Forschungs­institut WIIW in einem Interview. Der Wechselkur­s des Rial fällt, die Inflation ist wieder über zehn Prozent gestiegen und die Arbeitslos­igkeit von zwölf Prozent wächst weiter. Die britischen Forscher von Economist Intelligen­ce Unit erwarten – unter Berücksich­tigung der Sanktionen – für 2018/19 ein Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s von nur noch 1,9 Prozent. 2019/20 und 2020/21 werde die Wirtschaft am Persischen Golf um 2,6 und 1,2 Prozent schrumpfen.

Hapag-Lloyd wie auch die französisc­he CMA CGM und andere Reedereien fahren den Sanktionen derweil voraus. Das ist kein Zufall, die Schifffahr­t gilt als Seismograp­h der Weltwirtsc­haft. Der Zollstreit, den US-Präsident Donald Trump mit der EU und China führt, der Konflikt mit Russland und die bevorstehe­nden Strafmaßna­hmen gegen Iran belasten den internatio­nalen Handel. Kein Wunder: Etwa 90 Prozent des grenzübers­chreitende­n Warenhande­ls werden auf dem Seeweg transporti­ert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany