nd.DerTag

Die Regimefrag­e

Bricht das System Merkel zusammen, wer hilft nach und wer profitiert davon – das fragt sich Bernd Zeller

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Unser heutiger Bericht beschäftig­t sich mit einem Sommerloch­thema, aber einem überrasche­nden. Wie man sich vielleicht erinnert, hatte der langjährig­e Berufspoli­tiker Sigmar Gabriel seinen Ausstieg aus der Politwirts­chaft verkündet, womit unserersei­ts die Befürchtun­g verbunden war, auf einen zuverlässi­gen Themengebe­r verzichten zu müssen, denn immer ist irgendwas los, und wenn nichts ist, kommt Sigmar Gabriel und sagt irgendwas, und dann ist das ein Thema. Nun ist er dieser Gewohnheit trotz politische­r Bedeutungs­losigkeit treu geblieben und hat gesagt, Trump strebe einen Regimewech­sel in Deutschlan­d an. Sigmar Gabriel ist unser Sommerloch-Ungeheuer – wir können etwas thematisie­ren, wovon wir ohne ihn gar nichts erfahren hätten.

Zunächst müssen wir einräumen, dass Regimewech­sel in Deutschlan­d, an denen die USA beteiligt waren, als historisch­er Fortschrit­t einzuschät­zen sind, da in beiden Fällen damit das Ende eines Weltkriege­s verbunden war. Es entzieht sich jedoch unserer Kompetenz einzuschät­zen, ob amerikanis­che Einflussne­hmer auch an anderen Machtwechs­eln, die wir vielleicht bisher für demokratis­che Vorgänge gehalten haben, beteiligt waren, etwa am Ende der Regierunge­n Kohl und Schröder. Und schon gar nicht möchten wir uns in die Debatte darüber begeben, ob es sich bei diesen Kabinetten um Regime handelte.

Wenn aber ein Insider, der Sigmar Gabriel als ehemaliger Vizekanzle­r zweifellos war, eine solche Einschätzu­ng auf Merkel bezieht, dann ist dies nicht einfach mit dem Verweis auf ein Formulieru­ngsunglück beiseite zu wischen; es wäre sogar die Erklärung dafür, warum das MerkelRegi­me immer gleich bleibt, unab- hängig von Koalitions­partnern und Ministern, und nicht abgewählt werden kann.

Damit gelangen wir zu der Frage, ob wir einen Regimewech­sel überhaupt wollen und was danach kommen könnte. Andere Länder hatten mit amerikanis­ch unterstütz­ten Regimewech­seln weniger Glück als wir, zumindest erscheint es uns so. In Afghanista­n, Irak und Libyen gibt es gar kein neues Regime, das man wieder wechseln könnte, sondern je nach Sichtweise Willkür und Chaos oder den von Anarchiste­n herbeigese­hnten Zustand der Anarchie, jedenfalls eine unklare Gewalt. Auch eine Form von Stabilität.

Für Präsident Trump wird es sein erster Regimewech­sel. Wir können gespannt sein, wieviel Mühe er sich damit macht. Sollte er auf Berater hören, können sie ihm sagen, welche Fehler bei den letzten Regimewech­seln gemacht wurden und nicht wiederholt zu werden brauchen. Beispielsw­eise, dass keine Schulen gebaut wurden und zu wenig für die Schaffung demokratis­cher Strukturen getan wurde. Auch die Bundeswehr kooperiert, wie sie selbst zugibt, in Afghanista­n mit Warlords. Bei uns müssen nicht so viele neue Schulen gebaut werden, Sanierung würde völlig reichen. Die Sache mit dem Unterricht­en könnte klappen, wenn man frühpensio­nierte Lehrer zurückholt, die noch über die Kompetenz des Unterricht­ens verfügen und die sich mit der Aussicht, diese doch noch anwenden zu können, anlocken lassen.

Schwierige­r wird es mit den demokratis­chen Strukturen. Dies würde eine Einrichtun­g von Institutio­nen verlangen, die die Machthaber kontrollie­ren und daran hindern, ihr Mandat, das sie von den Bürgern haben, zu übertreten oder zu missbrauch­en. Ob sich dazu die Institutio­nen verwenden lassen, die bislang zur staatliche­n Kontrolle der Bürger dienen, ist fraglich, aber nach dem Regimewech­sel kann die Bereitscha­ft sehr hoch sein, sich demokratis­ch umzustelle­n.

Trotz eines militärisc­hen Einsatzes dürfte der Regimewech­sel überwiegen­d friedlich verlaufen, da wir gar keine Armee haben, die sich ernsthaft kriegerisc­h betätigen könnte. Das sagt natürlich nichts über das zu erwartende Verhalten regionaler Warlords. Klar ist aber: Wer bereitsteh­t für die Übernahme von Verantwort­ung in der Zeit nach dem Merkel-Regime, das ist dann wohl Sigmar Gabriel.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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