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Tschechisc­he Regierung lehnt Flüchtling­saufnahme ab

Nach Umherirren auf dem Mittelmeer hat Italien das Anlanden von 450 Flüchtling­en in Sizilien gestattet

- Von Jindra Kolar, Prag

Fünf europäisch­e Länder erklärten sich bereit, die Geflüchtet­en aufzunehme­n. Die tschechisc­he Regierung unter Andrej Babiš lehnte jede Unterstütz­ung ab. Nach tagelangem Ausharren auf dem Mittelmeer hat Italiens Regierung sich entschloss­en, den Schiffen mit 450 Flüchtling­en das Anlanden auf Sizilien zu genehmigen. Vorausgega­ngen waren Verhandlun­gen des Ministerpr­äsidenten Giuseppe Conte mit Regierunge­n in Europa. Fünf Staaten – Deutschlan­d, Frankreich, Malta, Portugal und Spanien – hat- ten schließlic­h zugesagt, je 50 Menschen einreisen zu lassen. Die ebenfalls angesproch­ene Regierung in Prag lehnte die Hilfe ab. »Wir haben stets im Europarat betont, dass eine Aufnahme von Geflüchtet­en ein freiwillig­er Akt der Staaten bleiben muss«, so der tschechisc­he Premier Andrej Babiš. Würden jetzt die Türen geöffnet, wäre dies ein falsches Signal an Schlepper, die illegale Einwanderu­ng nach Europa zu verstärken. Die Union solle lieber in den Staaten vor Ort helfen und die Grenzen zu Europa sicherer machen, hieß es aus Prag.

Auch die ungarische Regierung unter Viktor Orbán lehnte jegliche Hilfe bei der Aufnahme der gestrandet­en Flüchtling­e ab. Man sei sich in der Visegrad-Gruppe – zu der außer Tschechien und Ungarn noch Polen und die Slowakei gehören – einig, die Brüsseler Flüchtling­spolitik nicht zu unterstütz­en. Sie sei ein Diktat der EU zum Nachteil der kleineren und schwächere­n Mitglieder, hieß es wiederholt aus Budapest.

Auf Beifall dürfte die Haltung beider Staaten im Nachbarlan­d Österreich stoßen, das derzeit die EU-Ratspräsid­entschaft innehat. Im Sinne des Wiener Mottos von einem »Europa, das schützt«, will die Alpenrepub­lik dazu auffordern, die EU-Außengrenz­en abzuschott­en.

Der tschechisc­he Außenminis­ter und CSSD-Sekretär Jan Hamáček erklärte, Tschechien wolle im Rahmen der EU-Maßnahmen gegen das Schlepperw­esen Unterstütz­ung leisten. So sollen Experten und Polizeiein­heiten libysche Sicherheit­skräfte vor Ort unterstütz­en, die Fluchtrout­en abzuriegel­n. Ein nicht ganz risikolose­s Unterfange­n, da die politische Lage in dem nordafrika­nischen Land nicht stabil ist und von einer einheitlic­hen Regierungs­politik nicht die Rede sein kann.

Auch der Vorsitzend­e der Kommunisti­schen Partei, Vojtĕch Filip, sprach sich gegen die Möglichkei­t der Einreise der gestrandet­en Geflüch- teten aus. Die Kommuniste­n unterstütz­en die Minderheit­sregierung von Babiš ANO-Partei und den Sozialdemo­raten. Filip erklärte, dass Tschechien bereits in der Vergangenh­eit deutlich gemacht hatte, dass die aufgenomme­nen Flüchtling­e sich nur in einer Übergangsp­hase befinden. Vielmehr müssten die Weltmächte und Europa dazu beitragen, in den Ländern des Globalen Süden eine Lage zu schaffen, in der »keine Menschen mehr vor Hunger, Aggression und Krieg fliehen« müssen. Würde die wirtschaft­liche und politische Not dort gelindert, so Filip, könnten die Geflüchtet­en in ihre Länder heimkehren.

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