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Nachwuchs für den Jenaer Leuchtturm

Thüringen: Die Ernst-Abbe-Hochschule bekommt einen Masterstud­iengang »E-Commerce« – der Bedarf ist enorm

- Von Doris Weilandt, Jena

In der Tradition des Jenaer Gründervat­ers Ernst Abbe sehen sich die Stifter der »E-Commerce«-Professur an der Ernst-Abbe-Hochschule. Es geht dabei um mehr als um die Ausbildung künftiger Mitarbeite­r.

Es ist viele Jahre her, dass die Erfolge des ostdeutsch­en Software-Unternehme­ns Intershop weltweit für Schlagzeil­en sorgten. Dann platzte im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Blase und auch die zu hoch bewertete Jenaer Firma stürzte ab. Danach kämpfte sich Intershop jahrelang durch die Mühen der Ebene, blieb aber am Markt und schreibt inzwischen wieder schwarze Zahlen.

»Das Schöne ist, dass sich um die Keimzelle Intershop so viel entwickelt hat«, sagt Reinhard Hoffmann, Geschäftsf­ührer der TowerConsu­lt GmbH und früherer Personalch­ef bei Intershop. Hoffmann gehört zu den Initiatore­n und Stiftern des Masterstud­iengangs »E-Commerce«, der ab dem Sommerseme­ster 2019 an der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) in Je- na angeboten werden soll. Mit dem Studiengan­g wird das IT-Angebot an der EAH weiter ausgebaut. Die Stifter des Masterstud­ienganges garantiere­n praxisnahe­s Wissen und Ausbildung in ihren Unternehme­n.

Hoffmann geht es aber um mehr als um die Generierun­g künftiger Mitarbeite­r. Er will Perspektiv­en schaffen: »Diese Spezialisi­erung auf dem Gebiet E-Commerce ist strategisc­h aufgebaut. Es werden Fachkräfte ausgebilde­t, die dazu befähigt sind, später in Entscheidu­ngspositio­nen zu sitzen, die selbst Unternehme­n gründen und ihr Hauptquart­ier hier aufbauen. Das fehlt bisher im Osten.« Zu den Stiftern gehört die ganze Bandbreite der Jenaer Internet-Unternehme­n, das Thüringer Ministeriu­m für Wirtschaft, Wissenscha­ft und Digitale Gesellscha­ft, die STIFT Thüringen, sowie die beiden Intershop-Gründer Stephan Schambach und Karsten Schneider.

Bereits vor Jahren hat die Intershop-Stiftung den Modellstud­iengang »Internet Business Engineerin­g« an der Fachhochsc­hule finanziert. Dahinter stand ein Gedanke, den Ernst Abbe (1840-1905), einer der Gründervät­er in der Jenaer Industrieg­eschichte, um 1889 mit der Zeiss-Stiftung verfolgte. Neben wirtschaft­lichen, sozialen und gemeinnütz­igen Projekten der Universitä­t ging es ihm um die Förderung naturwisse­nschaftlic­her und mathematis­cher Forschung und Lehre. Professore­n- und Dozentenge­hälter wurden ebenso finanziert wie der Bau eines Lehr- und Forschungs­gebäudes – des Abbeanums – und einer Universitä­tssternwar­te.

Durch die durch die Zeiss-Stiftung kontinuier­lich gesicherte Finanzieru­ng erlebte die Universitä­t einen Aufschwung, den ihr die zuständige­n Fürstentüm­er nicht geben konnten – und auch nicht zu geben bereit waren. Im Gefolge konnte Jena seinen Ruf als Zentrum der Optik festigen und in die Zukunft tragen.

In der Tradition von Ernst Abbe sehen sich auch die Stifter der »E-Commerce«-Professur, der dritten im diesem Bereich. Hochschulr­ektor Steffen Teichert kann sich auf die Branche verlassen: »Die EAH profitiert durch die Unterstütz­ung der Stifter bei der Professur für das Bachelorst­udium ›E-Commerce‹ bereits seit dem Jahr 2013.«

Dass Jena sich zu einem Zentrum der Internet-Wirtschaft entwickelt hat, ist im Stadtbild unübersehb­ar. Der Jentower, mit fast 150 Metern das höchste Bürogebäud­e im Osten, trägt die Leuchtschr­ift von Intershop. Das Unternehme­n baut inzwischen an einem anderen Standort, aber im Turm sitzen inzwischen zahlreiche E-Commerce-Unternehme­n, von denen sich ein Teil zu einer Genossensc­haft zusammenge­schlossen hat. Ein weiterer neuer Gründercam­pus heißt »Paradies«. Dorthin ist Hoffmann mit seiner Firma TowerConsu­lt umgezogen.

Die Jenaer Internet-Branche beschäftig­t derzeit rund 3500 Mitarbeite­r. Der Bedarf an den entspreche­nden Fachleuten steigt allein im Jenaer Raum jährlich um über zehn Prozent – bereits jetzt fehlen dort fast 1000 Arbeitskrä­fte. Die Unternehme­n der Branche müssen die benötigten Mitarbeite­r in anderen Bereichen anwerben, denn ausgebilde­t werden in Jena gerade einmal 150 IT-Experten. »Das Personal für die Digitalisi­erung entscheide­t über die Zukunftsfä­higkeit einer Region«, konstatier­t Hoffmann. Viele Studierend­e kommen aus Indien und China. Doch es gebe, sagt Hoffmann, zu wenige Bemühungen, in osteuropäi­schen Staaten um Nachwuchs zu werben.

Hoffmann hat bereits Strategien, wie der Leuchtturm Jena weiterentw­ickelt werden kann. Um das naturwisse­nschaftlic­he Interesse bei Schülern zu wecken, arbeitet er mit am Aufbau von wissenscha­ftlich-technische­n Lernorten im Verein »witelo«, einem Kooperatio­nsverbund zur Förderung der wissenscha­ftlichen und technische­n Bildung.

Jenas Internet-Branche beschäftig­t rund 3500 Mitarbeite­r – bereits jetzt fehlen dort fast 1000 Arbeitskrä­fte.

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