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Rot-schwarzer Zoff um Landärzte

Niedersach­sen: SPD will künftige Mediziner mit Studienpla­tz locken – Koalitions­partner CDU gegen Quotenrege­lung

- Von Hagen Jung

Lässt sich der Ärztemange­l auf dem Land beheben, indem Bewerber, die sich vorab zur Arbeit als Landarzt verpflicht­en, garantiert einen Medizinstu­dienplatz bekommen? Die Antworten fallen verschiede­n aus. Der gute Doktor Martin Gruber hat immer Zeit für seine Patientinn­en und Patienten, ist beim Untersuche­n und Behandeln fast durchweg gut gelaunt, macht Visiten auch im fernsten Kaff und praktizier­t gern in seinem kleinen Heimatdorf. Der ideale Landarzt! Zum Hausbesuch kann man ihn mit der Fernbedien­ung rufen: auf den TV-Bildschirm, immer dann, wenn »Der Bergdoktor« auf dem Programm steht. In der Realität aber zieht es immer weniger Mediziner aufs Dorf – Landärzte werden bekanntlic­h knapp, nicht nur in Niedersach­sen.

Dort hatten SPD und CDU zu Beginn ihrer Koalitions­regierung vertraglic­h festgeschr­ieben: Um dem Mangel an Hausärzten im ländlichen Bereich zu begegnen, sollen »Anreizsyst­eme« geschaffen werden. Die SPD-Landtagsfr­aktion hat jetzt konkretisi­ert, wie solch ein Anreiz aussehen kann. Sie will eine »Landarztqu­ote« einführen.

Erfüllen ließe sie sich, meinen die Sozialdemo­kraten, über die Vergabe der begehrten Studienplä­tze im Fach Medizin. Jene Bewerberin­nen und Bewerber, die sich verpflicht­en, nach dem Studium als Arzt oder Ärztin auf dem Land zu praktizier­en, sollen garantiert einen solchen Platz bekommen.

Ob die SPD das durchsetze­n kann, ist zweifelhaf­t, denn: Vom Koalitions­partner kommt Gegenwind. Wissenscha­ftsministe­r Björn Thümler (CDU) lehnt die »Landarztqu­ote« ab. Er warnt: Es sei lebensfern, zu erwarten, dass sich junge Menschen schon zu Beginn eines Studiums für eine anschließe­nde langfristi­ge Berufstäti­gkeit in einer ländlichen Region entscheide­n und verbindlic­h festlegen. Ähnlich ablehnend steht die FDP dem Vorschlag der Sozialdemo­kraten von Ministerpr­äsident Stephan Weil gegenüber.

Björn Thümler müsse »seine Blockadeha­ltung dringend überdenken«, fordert der Generalsek­retär der Niedersach­sen-SPD, Alexander Saipa. Steuere das zweitgrößt­e Bundesland doch in vielen ländlichen Räumen auf eine ärztliche Unterverso­rgung zu. Während sich der Minister quer stelle, seien seine Parteifreu­nde aus Nordrhein-Westfalen schon deut- lich weiter und zeigten, wie eine Landarztqu­ote aussehen kann, erklärte Saipa. Tatsächlic­h hat die CDUgeführt­e Landesregi­erung in NRW unlängst im Landtag einen Gesetzentw­urf zur Einführung jener Quote vorgestell­t.

Strikt abgelehnt wird die Landarztqu­ote auch von der Ärztekamme­r in Niedersach­sen. Deren Präsidenti­n Martina Wenker meint, dass ein solches Verfahren der freien ärztlichen Berufsausü­bung widersprec­he und ein sehr frühes Festlegen auf eine spätere Tätigkeit auf dem Lande nicht sinnvoll sei. Die Praxis zeige, dass sich berufliche Lebensläuf­e, biografisc­he und familiäre Situatione­n aber auch Ortspräfer­enzen während des Studiums und auch danach ändern können.

Auch bestehe das Risiko, so Kammerpräs­identin Wenker, dass sich ein beachtlich­er Teil von Landärzten später aus ihrer zu Beginn des Studiums eingegange­n Verpflicht­ung wieder »freikaufen« wollten. Ein solcher Schritt könnte für die jungen Mediziner allerdings ziemlich teuer werden. Nordrhein-Westfalen plant immerhin, von Ärzten, die ihre Selbstverp­flichtung am Ende nicht einhalten, 250 000 Euro »Strafzahlu­ng« zu fordern.

Statt eine Landarztqu­ote einzuführe­n, betont die Kammerpräs­identin, müsse mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkei­ten die spätere hausärztli­che Tätigkeit auch in unterverso­rgten Regionen attraktiv gemacht werden. Wie dies im Detail gemacht werden könnte, sagten weder Martina Wenker noch Minister Thümler. Schweigen dazu auch von den Liberalen, die dem Landärztem­angel nicht mit einer Quote, sondern mit »positiven Anreizen« für künftige Mediziner begegnen wollen.

Bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Koalitionä­re die Sache nun ausfechten. Kenner der Politszene in Hannover sehen bereits eine gewisse Brisanz des Themas, was den Zusammenha­lt des Bündnisses angeht. In der der Staatskanz­lei ist man gelassener. Von dort heißt es, vorerst gelte es, unter anderem angesichts der Entwicklun­g in Nordrhein-Westfalen, Erfahrunge­n zu sammeln. Und: Eine Entscheidu­ng zum Ganzen gebe es in Niedersach­sen voraussich­tlich erst 2020.

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d

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